Altersvorsorge - Versicherung bezeichnet Entwurf als unausgegoren / Sozialverbände kritisieren hohe Zugangshürden

Renten-Gegenwind wird stärker

Von 
Stefan Vetter
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Ein älteres Ehepaar geht in Potsdam eine Allee entlang. Nun hat auch die Deutsche Rentenversicherung den Gesetzesentwurf zur Grundrente kritisiert. © dpa

Berlin. Die Kritik am Gesetzentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zur Grundrente wird schärfer. Davon zeugte am Mittwoch eine interne Anhörung von Verbänden in Heils Ministerium. Auch die Rentenversicherung ging dabei in ungewohnt deutlicher Form auf Distanz. Sozialpolitisch unausgegoren, hoch bürokratisch und verfassungsrechtlich problematisch. So liest sich die schriftliche Stellungnahme der Deutschen Rentenversicherung zum Grundrenten-Entwurf, den Heil in der vergangenen Woche zur Begutachtung auch an Wirtschafts- und Sozialverbände verschickt hatte.

Laut Vorlage sollen damit 1,4 Millionen langjährige Geringverdiener bei ihren gesetzlichen Altersbezügen zum Teil deutlich besser gestellt werden. Voraussetzung dafür ist eine Einkommensprüfung, bei der die Einkommen (inklusive Kapitalerträge) der Betroffenen und deren Ehepartnern maßgebend sind, nicht aber die gesamten Vermögenverhältnisse, wie es ursprünglich geplant war.

Hohe Verwaltungskosten erwartet

Nach Einschätzung der Rentenversicherer wirft diese Lösung allerdings immer noch genug Probleme auf, weshalb sie auch den geplanten Starttermin der Grundrente zum 1. Januar 2021 für unrealistisch halten. So müsse etwa das für die Einkommensanrechnung erforderliche Datenaustauschverfahren zwischen Finanzämtern und Rentenversicherung „völlig neu entwickelt werden“, da es kein vergleichbares Verfahren gebe, heißt es in der Stellungnahme, die dieser Redaktion vorliegt. Schwierigkeiten sehen die Experten vor allem bei der Erfassung von Einkommen aus pauschal besteuerter geringfügiger Beschäftigung (450-Euro-Jobs) sowie aus Kapitalerträgen, die der Abgeltungssteuer unterliegen. Probleme gibt es aus Sicht der Experten auch bei der Anrechnung ausländischer Einkommen. Allein das würde den „Aufbau doppelter Verwaltungsstrukturen“ erfordern, so die Gutachter. Im Einführungsjahr würden die Verwaltungskosten insgesamt „mehrere hundert Millionen Euro betragen und damit mehr als 25 Prozent der Leistungsausgaben für die Grundrente“, heißt es in dem Papier. Ein weiterer Kritikpunkt ist die vorgesehene Ungleichbehandlung von verheirateten und unverheirateten Partnern bei der Einkommensanrechnung. Dies könne einen Verstoß gegen das Grundgesetz darstellen, warnt die Rentenversicherung. Darüber hinaus wird bemängelt, „dass die sozialpolitische Begründung der vorgesehenen Regelungen zum Teil widersprüchlich und in der Zielstellung nicht eindeutig ist“. So verspricht der Gesetzentwurf zum Beispiel auch Verbesserungen für Rentner, die sowohl selbstständig als auch abhängig beschäftigt waren. Zugleich, so die Rentenversicherer, setze die Grundrente aber eine lange Pflichtversicherungszeit voraus, weshalb Versicherte mit häufigeren Wechseln in eine nicht versicherungspflichtige Beschäftigung „die geplante Grundrente tendenziell gar nicht in Anspruch nehmen können“.

Starttermin ist „ambitioniert“

Auch andere Stellungnahmen fallen für den Arbeitsminister wenig schmeichelhaft aus. Von Sozialverbänden und dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) wird beanstandet, dass die Zugangsvoraussetzungen zur Grundrente immer noch zu restriktiv seien. Derweil spricht die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) von „erheblichen Kostenrisiken“ bei der Finanzierung der Grundrente. Die Finanzierung war schon in der vergangenen Woche bei der Union auf Kritik gestoßen. So will Heil die Rente zum Teil aus der geplanten Finanztransaktionssteuer bezahlen, von der aber keiner weiß, wann sie genau kommt. Eine Sprecherin des Arbeitsministeriums meinte Mittwoch lediglich, dass man sich bei der Gesetzesarbeit mit der Rentenversicherung eng abstimme. Zugleich räumte sie ein, dass der Starttermin in gut elf Monaten „ambitioniert“ sei. „Da muss der Minister noch erheblich nachbessern“, befand der CDU-Sozialpolitiker Peter Weiß.

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