Berlin. Die zweite Corona-Welle in Deutschland scheint derzeit ganz allmählich abzuebben, aber vor allem die Intensivabteilungen der Kliniken arbeiten nach wie vor mit einer stark erhöhten Auslastung, selbst wenn die Lage auf den Covid-19-Stationen nicht mehr so extrem angespannt ist wie noch vor rund einem Monat. Der Lockdown und die Kontaktbeschränkungen haben die Ansteckungszahlen gesenkt und mit zeitlichem Verzug auch den Krankenhäusern Luft verschafft. Doch vor den Beratungen von Bund und Ländern am Mittwoch, warnen Ärzte vor übereilten Öffnungen.
Die Lage auf den Intensivstationen sei „trotz eines Rückgangs der Patienten mit einem schweren Covid-19-Verlauf weiterhin ernst“, mahnt etwa der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Gernot Marx, am Montag. Daher gebe es „weiterhin keine Alternative zum Lockdown“. Vielmehr sei es „zwingend erforderlich, dass wir die geltenden Maßnahmen weiter verlängern“, sagte Marx. Für Februar sieht der Mediziner keine Chance auf Lockerungen. „Anfang März“ könne man in die Diskussion einsteigen. Marx betonte, wenn sich der Rückgang der Corona-Patienten auf den Intensivstationen seit Jahresbeginn im derzeitigen Tempo fortsetze, „wird es April oder Mai, bis die Situation als entspannt gelten kann“. Dies sei aber nur ohne einen erneuten Wiederanstieg der Infektionszahlen realistisch. Marx ist deshalb überzeugt: „Die Lage wird bis Ostern weiterhin ernst bleiben.“
Zu Wochenbeginn wurden laut dem Divi-Intensivregister 3948 Patienten mit einer Sars-CoV-2-Infektion auf den Intensivstationen behandelt. Dies sind 1797 weniger als am 3. Januar, als mit 5745 Patienten ein Höchststand erreicht worden war. Doch Marx gibt zu bedenken, das seien rund 1000 Patienten mehr als zum Hochpunkt der ersten Welle im April 2020. Das medizinische Personal auf den Intensivstationen – Ärzte wie Pflegekräfte – sei nach den zurückliegenden Wochen erschöpft. Die Kliniken rechneten zudem mit einer dritten Welle, „ohne die zweite schon hinter uns zu haben“.
Unklar sei vor allem, wie sich in den kommenden Wochen die deutlich ansteckenderen Corona-Mutationen in Deutschland ausbreiten. Marx appellierte deshalb an die Politik, die Ausbreitung der Varianten durch Kontaktbeschränkungen „solange es geht hinauszuzögern“. Zudem müssten Tests ausgeweitet und Impfungen beschleunigt werden, um die Pandemie zu bekämpfen.
Die Krankenhausbetreiber riefen die Politik dazu auf, Augenmaß walten zu lassen. „Wenn sie am Mittwoch kluge Stufenpläne zur behutsamen Öffnung entwickelt, kann sie den Menschen positive Perspektiven vermitteln“, sagte der designierte Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß.