Entwicklung - Experten fordern von der Politik, „das Ruder herumzureißen“ / Lehrerverband noch vorsichtig

Kinderärzte fordern Öffnung der Schulen

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dpa
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Leere Klassenzimmer – für Kinder war der Lockdown sehr belastend. © DPA

Berlin. Kinder- und Jugendmediziner haben nachdrücklich schnelle Schul- und Kitaöffnungen geöffnet. „Schulen öffnen, Kitas öffnen – natürlich gemäß den geltenden Leitlinien und mit angemessenen Testungen. Jetzt ist es an der Zeit, das Ruder herumzureißen“, sagte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), Jörg Dötsch, der „Rheinischen Post“.

„Wir sehen die dringende Notwendigkeit, dass sich Menschen, die sich noch nicht impfen lassen können, keine Nachteile davon haben dürfen. Es ist absolut notwendig, selbst wenn Jugendliche in den höheren Jahrgängen geimpft werden können, für Kinder im Grundschulalter, aber auch in mittleren Jahrgängen wieder ein normales soziales Leben zu ermöglichen, damit sie sich normal entwickeln können.“

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) kritisierte die politische Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen während der Pandemie scharf. „Kinder und Jugendliche wurden in der Pandemie von Anfang an massiv vernachlässigt. In der ersten Phase waren die pauschalen Einschränkungen wie Schul- und Kitaschließungen noch nachvollziehbar. Aber inzwischen haben wir gelernt, dass Kinder die Infektion deutlich weniger weitertragen und selbst deutlich seltener erkranken als Erwachsene“, sagte BVKJ-Sprecher Jakob Maske der „Rheinischen Post“. „Es gibt psychiatrische Erkrankungen in einem Ausmaß, wie wir es noch nie erlebt haben. Die Kinder- und Jugendpsychiatrien sind voll, dort findet eine Triage statt. Wer nicht suizidgefährdet ist und „nur“ eine Depression hat, wird gar nicht mehr aufgenommen.“

Mehr Anstrengung nötig

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Daniel Kraft
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Der Bedarf an Versorgung sei in der Corona-Krise enorm gestiegen, sagte auch der Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie des LMU-Klinikums in München, Gerd Schulte-Körne. Er verglich die aktuelle Situation mit einem Fass, das jetzt überlaufe. Die stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbands für Kinder- und Jugendpsychiatrie (BKJPP), Annegret Brauer, sagte der dpa, die Regelversorgung in Kliniken sei insgesamt stark eingeschränkt. Von einer Triage würde sie zwar nicht sprechen, doch es werde stärker darauf geachtet, wer wirklich eine stationäre Behandlung benötige. Es finde daher eine Verschiebung zu niedergelassenen Psychiatern und Psychotherapeuten statt.

Auch Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) forderte mehr Anstrengungen. „Die Lage der jungen Generation steht aus meiner Sicht gegenwärtig immer noch viel zu wenig im Mittelpunkt der Diskussion“, sagte sie der „Bild“. Das werde den Sorgen, die „wir uns machen sollten, nicht gerecht“. Der Ausfall an Präsenzunterricht habe zu erheblichen Lernrückständen geführt.

Der Deutsche Lehrerverband hält eine Rückkehr zum vollständigen Präsenzunterricht ab einer Inzidenz von 50 für empfehlenswert. „Wir haben nur noch wenige Landkreise oberhalb der 165er Inzidenz, die für reinen Distanzunterricht ausschlaggebend ist“, sagte ihr Präsident Heinz-Peter Meidinger. Unterhalb der 100er Inzidenz könnten Länder vollständigen Präsenzunterricht anordnen. „Unsere Auffassung ist, dass man sich bei vollständigem Präsenzunterricht ohne Abstandsregelung an der Empfehlung des RKI (Inzidenz 50) orientieren sollte, solange viele Lehrkräfte und fast alle Kinder noch nicht geimpft sind“. dpa