London. „Das ist meine letzte Fragestunde im Parlament”, versprach Noch-Premierminister Boris Johnson am Mittwoch zunächst und gab sich gut gelaunt und kampfeslustig wie eh und je. Nachdem er Labour-Chef Keir Starmer mit einem nutzlosen Absperrpfosten aus Kunststoff verglichen hatte, ließ er es sich nicht nehmen, auf diejenigen Erfolge zu verweisen, auf die er besonders stolz sei: den Umgang mit der Pandemie und die Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland. „Das muss reichen, fürs Erste“. Er schloss mit einem Zitat aus dem Film Terminator: „Hasta la vista, Baby.“
Nachdem Johnson damit Spekulationen um ein mögliches Comeback Tor und Tür geöffnet hatte, war der gestrige Tag auch der Auftakt zu einem Neuanfang für die Tories. Nachdem der 58-Jährige am 7. Juli seinen Rücktritt als Parteichef erklärt hatte, wurden die beiden Finalisten im Rennen um seine Nachfolge bestimmt. Diese hatten sich im Verlauf mehrerer Wahlrunden gegen neun weitere Kandidaten durchgesetzt. Am 5. September entscheiden dann die rund 200 000 Mitglieder der konservativen Partei, wer neuer Parteichef wird.
Penny Mordaunt scheidet aus
Vor der letzten entscheidenden Wahlrunde durch die konservativen Abgeordneten vor der Sommerpause des Parlamentes lagen die drei verbliebenen Kandidaten Kopf an Kopf. Die meisten Stimmen durch die Abgeordneten erhielt am Mittwoch der frühere Finanzminister Rishi Sunak. Auf Platz zwei landete Außenministerin Liz Truss. Handels-Staatssekretärin Penny Mordaunt erhielt die wenigsten Stimmen und schied mit acht Stimmen weniger als Truss aus dem Rennen aus.
Liz Truss hatte sich als Kandidatin der Brexit-Hardliner positioniert und ist die bevorzugte Anwärterin des scheidenden Premierministers. Die 46-Jährige ist überdies die bekannteste Kandidatin und hat am meisten Erfahrung. Unter der Führung von Theresa May wurde sie Justizministerin. Johnson ernannte sie dann zunächst zur Ministerin für internationalen Handel und schließlich zur Außenministerin. Truss hat angekündigt, den Kurs ihres Vorgängers in Bezug auf den Brexit fortzusetzen. Sie versprach außerdem großzügige Steuersenkungen.
Keine Steuerversprechungen
Damit trat sie in Opposition zu Rishi Sunak, der als pragmatischer Kandidat in Hinblick auf Steuersenkungen, „keine falschen Versprechungen” machen wollte. Eine Ankündigung, die ihm viel Gegenwind einbrachte. Eigentlich politisch unerfahren, stieg der 42-Jährige unter Johnson schnell zum Finanzminister auf. Im Kampf um das Amt des Parteichefs spielten ihm zunächst die Herausforderungen angesichts der steigenden Lebenshaltungskosten in die Hände. Laut aktuellen Umfragen würde er sich in einem Kopf-an-Kopf-Rennen bei der Basis der Partei jedoch weder gegen Truss noch gegen Mordaunt durchsetzen.
Ganz gleich, wer am Ende als Sieger hervorgeht: Experten sind sich einig, dass er oder sie es als Parteichef und Premierminister nicht einfach haben wird. Schließlich ist das Rennen um die Nachfolge eng, die Einigung auf die Kandidaten langwierig. Während Johnson 2019 dank seiner Brexit-Versprechung auf eine breite Unterstützung bauen konnte, ist die Partei inzwischen gespalten. Hinzu kommt, dass der 58-Jährige durch seinen von Lügen und Halbwahrheiten geprägten Führungsstil ein schweres Erbe hinterlässt.