G20: Brown, Merkel und Obama wollen dem Finanzsystem einen neuen Rahmen staatlicher Regulierung geben

Gipfel soll Zeichen der Hoffnung setzen

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Hannes Koch

London. Die Situation entbehrt nicht einer gewissen Skurrilität. Da ist die gefährlichste Finanz- und Wirtschaftskrise seit 100 Jahren im Gange, doch Bundeskanzlerin Angela Merkel redet vom Sparen. In ihrer Regierungserklärung vor dem Bundestag am 18. März plädierte sie für "nachhaltiges Wirtschaften" - in Merkels Diktion die Formulierung dafür, dass der Staat nicht zu viel Geld ausgeben sollte. Mit dieser Botschaft reist die Kanzlerin nun zum Gipfel der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, der am Donnerstag in London stattfindet.

Die Antwort, die die Regierungen der USA, Japans, Deutschlands, Großbritanniens, Chinas, Indiens und anderer Wirtschaftsmächte auf die Krise geben, ist beeindruckend. Und sie deutet daraufhin, dass man den Ernst der Lage erkannt hat. In einem 47 Maßnahmen umfassenden Programm versuchen die Regierungen nichts weniger, als dem globalen Finanzsystem einen neuen Rahmen staatlicher Regulierung zu geben. Und doch ist es erstaunlich, welche Punkte in dem großen Programm der G20 bislang nicht enthalten sind. Vor allem fehlt das Bekenntnis zu einem weltweiten Konjunkturprogramm gegen den Absturz der Wirtschaft. Ebenso wenig planen die Regierungen ein gemeinsames Vorgehen, um den Banken die giftigen Papiere abzunehmen, die noch immer in den Bilanzen lagern.

In London verhandeln die Regierungen unter anderem über ein internationales Investitionsprogramm. Die Welthandelsorganisation (WTO) befürchtet, dass der globale Handel dieses Jahr um zehn Prozent einbricht. Und trotzdem bringen die Regierungen der G20 nicht die Kraft einer koordinierten Anstrengung auf, um die Wirtschaft zu stützen. Zu den größten Bremsern gehören Kanzlerin Angela Merkel und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück. Auf ihre Anregung hin findet sich im Entwurf der Abschlusserklärung der Hinweis auf "fiskalpolitische Nachhaltigkeit" und eine notwendige "Exitstrategie aus der expansiven Finanzpolitik" - landläufig heißt das "Sparen".

Dennoch beraten die G20-Regierungen ein Anti-Krisen-Programm, wie es seit Jahrzehnten keines gegeben hat. US-Präsident Barack Obama, Großbritanniens Premier Gordon Brown, Kanzlerin Merkel und ihre Kollegen sind sich einig, dass alle "Finanzmärkte, Instrumente und Institutionen" einen "stärker kontrollierenden und regulierenden Rahmen" erhalten. Auch die Austrocknung von Steueroasen ist beim Gipfel ein Thema. Schließlich soll der IWF künftig mehr Geld erhalten, um Staaten in Krisenfällen zu unterstützen. Im Vorfeld des Gipfels wurde diskutiert, die Reserven von 250 Milliarden auf 500 Milliarden Dollar aufzustocken.