Mannheim. Der Begriff „Pressefreiheit“ kommt uns in Deutschland leicht über die Lippen. Sie ist aber keine Selbstverständlichkeit, sondern ein hohes Gut in unserer Demokratie. Wo die Pressefreiheit eingeschränkt wird, erstarken nicht selten Diktaturen. Die Pressefreiheit bildet einen Schutzring um die Menschen- und Bürgerrechte und somit um unseren freiheitlichen Rechtsstaat. Ist dieser stabil, werden auch die persönlichen Freiheiten wie freie Wahlen, Religionsfreiheit, die Freiheit des Eigentums und die Versammlungsfreiheit fortgelten. Der Zustand der Pressefreiheit ist wie ein Seismograph unserer Gesellschaft. An ihm können wir ablesen, ob Toleranz, Respekt und Menschenwürde noch als Grundpfeiler das gesellschaftliche Miteinander stützen.
- Volker Steinnei, Jahrgang 1961, ist ehrenamtlicher Sprecher des Deutschen Presserates (DPR).
- Der DPR ist die freiwillige Selbstkontrolle der Printmedien und deren Online-Auftritte. Anhand von Beschwerden überprüft er die Einhaltung ethischer Regeln für die tägliche Arbeit von Journalisten, die im Pressekodex festgehalten sind.
- Stennei ist Chefredakteur und Geschäftsführer des Zeitungsverlages Rubens, Unna, der etwa den Hellweger Anzeiger herausgibt.
Auch deshalb gilt es, die Pressefreiheit nicht nur zu schützen, sondern sorgsam abzusichern. Die freie Presse in Deutschland tut dies mit Hilfe des Pressekodex, der Grundlage der Arbeit für den Deutschen Presserat.
In Zeiten von Populismus ist Vertrauen in unabhängige ...
Pressefreiheit bedeutet zu allererst die Verpflichtung zu ethischen Prinzipien. Wir sind der Wahrheit verpflichtet und nicht darauf aus, Empfindungen der Rezipienten zu bedienen. Wir haben sorgsam abzuwägen, wo Meinungsfreiheit endet und Hass und Diskriminierung Nährboden finden. Presse hat den Regierten und nicht den Regierenden zu dienen. Deshalb müssen wir die größtmögliche Staatsferne erhalten.
So folgt der Deutsche Presserat dem Prinzip der freiwilligen Selbstkontrolle, unterliegt also nicht dem Einfluss des Staates. Das ist eine besondere Verantwortung für den Presserat. Paritätisch getragen von den Arbeitgeberverbänden und Journalistengewerkschaften wacht er über die Einhaltung der ethischen Prinzipien in den Redaktionen.
„Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse.“ Wie eine Präambel verpflichtet die Ziffer 1 des Pressekodex die in Deutschland tätigen Journalisten. Der Kodex legt Richtlinien für die journalistische Arbeit fest. Von der Achtung der Menschenwürde bis zur Unschuldsvermutung, vom Opferschutz bis zur Trennung von Werbung und Redaktion: Die 16 Ziffern des Pressekodex sind Grundlage für die Beurteilung der beim Presserat eingereichten Beschwerden. Jeder Bürger ist eingeladen, sich beim Deutschen Presserat über mögliche Fehlleistungen eines Presseorgans zu beschweren. Es gibt keinen Anwaltszwang, die Hürden sind bewusst niedrig gehalten.
Der Wahrheit verpflichtet
Presse hat die Dinge beim Namen zu nennen. Unerschrocken, der Wahrheit verpflichtet, ohne Rücksicht auf politische Machtverhältnisse. Sie hat keine Erwartungen zu erfüllen – außer solche der ethischen Korrektheit. Damit sichert sie den freien Diskurs in einer Gesellschaft. Presse hat aber auch eine besondere Verantwortung: Sie hat die Macht, Stimmungen zu beeinflussen. Damit haben wir sehr bewusst umzugehen, indem wir Abstand halten, uns nie gemein machen. Wir dürfen nicht Diskriminierungen Vorschub leisten, aber wir dürfen auch relevante Informationen nicht verschweigen.
Seit der Flüchtlingskrise und den daraus resultierenden gesellschaftlichen Veränderungen ist das komplizierter geworden. Hintergründe von Straftaten etwa haben wir zu benennen. Aber wir haben auch Obacht zu geben, dass daraus keine pauschalen Verunglimpfungen entstehen. Oft ein schmaler Grat, um den die Redaktionen wissen und sich sehr verantwortungsvoll damit auseinandersetzen.
Auch in Deutschland ist die Zahl der Anfeindungen, Drohungen und gewalttätigen Übergriffe gegen Journalisten in den vergangenen Jahren angestiegen. Menschen ziehen durch die Straßen und skandieren unreflektiert „Lügenpresse“. Als „Lügner“ werden die diffamiert, die das eigene Weltbild nicht bedienen. Sie werden nicht als „Andersdenkende“ bezeichnet, sondern moralisch abgewertet. Denn wer lügt, hat eigentlich in einer Gemeinschaft nichts zu suchen. Eine unerträgliche Situation.
Durch die beliebige Vervielfältigbarkeit einer Information ist die Reaktion einer großen Menge von Individuen auf dieselbe Information möglich geworden. Zuerst durch die geniale Erfindung des Mainzer Tüftlers Gutenberg. Im vergangenen Jahrhundert dann durch die Entwicklung des Internets unfassbar beschleunigt. Hat der Buchdruck die demokratische Entwicklung in Europa erst möglich gemacht, müssen wir heute erst noch lernen, mit den manipulativen Möglichkeiten der Informationsverbreitung in der digitalen Welt umzugehen.
Glaubwürdigkeit das höchste Gut
Mehr denn je gilt, nicht die schnelle Nachricht schafft Vertrauen. Es ist die richtige Nachricht, die Glaubwürdigkeit schafft. Das ist in Zeiten der Digitalisierung, wo alles gefühlt in Sekunden verfügbar zu sein hat, eine riesige Herausforderung. Die ethisch gebundenen Redaktionen in Deutschland stehen für Glaubwürdigkeit. Sie ist das höchste Gut für uns Journalisten.