Mannheim. Manchmal geht es auch in der Politik langweilig zu – aber am Dienstag überschlugen sich die Ereignisse. Erst die knappe Wahl von Ursula von der Leyen (CDU) zur neuen EU-Kommissionschefin. Und dann am Abend der Hammer mit Annegret Kramp-Karrenbauer. Die CDU-Chefin übernimmt völlig überraschend das Verteidigungsministerium von ihrer Parteifreundin.
Von dieser dramatischen Entwicklung wurde auch die Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen kalt erwischt. Die Befragung der 1290 zufällig ausgesuchten Wahlberechtigten hatte da schon begonnen. Deshalb gibt es im aktuellen Politbarometer auch keine Einschätzung der Deutschen zu AKKs Wechsel auf den traditionellen Schleudersitz.
Merkel hängt Habeck ab
In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für „Spiegel Online“ bewerteten allerdings knapp drei Viertel der Befragten am Donnerstag AKKs Schritt negativ. Etwa die Hälfte findet die Entscheidung sogar „sehr negativ“. Selbst im eigenen Lager der CDU/CSU sehen rund 44 Prozent diese als negativ und nur 37 Prozent positiv. „Ihre Umfragewerte bleiben auch im neuen Politbarometer unverändert schlecht“, sagt Matthias Jung von der Forschungsgruppe. Bei der Beurteilung der zehn wichtigsten Politiker nach ihrer Beliebtheit rangiert sie weit hinten. AKK hat sich von ihrem Absturz von plus 0,7 im Mai auf minus 0,1 im Juni auch in der aktuellen Rangliste nicht erholen können. Seitdem steht sie auf der Skala von plus fünf bis minus fünf bei diesem niedrigen Wert.
Anders dagegen ihr Rivale Jens Spahn, der wie AKK Parteichef und wahrscheinlich auch Verteidigungsminister werden wollte. Ob er noch von der Kanzlerkandidatur träumt, sei dahingestellt. Klar ist aber, dass der Gesundheitsminister in den vergangenen Monaten an Popularität gewonnen hat und nun mit einem Wert von plus 0,4 immerhin der beliebteste Unionspolitiker nach Kanzlerin Angela Merkel ist.
Die Regierungschefin hat ihren Vorsprung vor Grünen-Chef Robert Habeck (plus 1,3) ausgebaut und liegt nun mit plus 1,7 unangefochten vorn. „Dieses positive Bild wird abgerundet dadurch, dass die Arbeit der Kanzlerin nun von 73 Prozent als ,gut’ bezeichnet wird. Das ist ihr bester Wert in dieser Legislaturperiode“, analysiert Jung. Warum das so ist? „Für Merkel hat sich der Verzicht auf den CDU-Vorsitz ausgezahlt. Sie wirkt jetzt wieder staatstragender“, sagt der Wahlforscher.
Überrascht hat Jung, dass die Deutschen sich kaum für die Spekulationen über den Gesundheitszustand der Kanzlerin interessieren. 80 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass dies ihre Privatsache sei und sie die Öffentlichkeit deshalb auch nicht informieren müsse.
Von der Leyens Wechsel nach Brüssel löst bei den Befragten übrigens keine große Euphorie aus. Lediglich 41 Prozent finden es gut, dass sie zur neuen EU-Kommissionschefin gewählt wurde. 35 Prozent halten dies für schlecht. „Von der Leyens kritische Bilanz als Verteidigungsministerin macht sie angreifbar. Sie wird zeigen müssen, dass sie Europa besser kann“, sagt Jung. 68 Prozent der Befragten glauben nicht, dass die Proteste der SPD gegen von der Leyen den Zusammenhalt der Bundesregierung gefährden.
Zuspruch für Seenotrettung
Durch das heldenhafte Verhalten der deutschen Kapitänin Carola Rackete ist die Seenotrettung privater Organisationen in die Schlagzeilen gerückt. 67 Prozent sehen es positiv, dass diese den Flüchtlingen auf dem Mittelmeer helfen. Allerdings halten auch 61 Prozent den Vorwurf für richtig, dass sich mehr Flüchtlinge auf den unsicheren Weg machen, weil sie auf die Seenotrettung hoffen. Soll Deutschland einen großen Teil der Flüchtlinge aufnehmen, die zurzeit über das Mittelmeer kommen? 47 Prozent sagen Ja, 46 Nein.