Wiesbaden. Es ist das zweite Mal nach 2015, dass das Land Hessen einen Aktionsplan für die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen auflegt. Doch bei dem am Dienstag in Wiesbaden von Ministerpräsident Volker Buffier (CDU) und seinem Stellvertreter Tarek Al-Wazir (Grüne) präsentierten neuen 32-Seiten-Werk ist vieles anders als beim ersten Mal. Jetzt kommen vor allem Frauen, Kinder und alte Menschen, die wegen des Kriegs in der Ukraine ihre Heimat verlassen haben, nicht mehr überwiegend Männer wie vor sieben Jahren aus dem Nahen Osten. Der politische Streit über ihre Aufnahme hält sich in Grenzen, und eine große Zahl der Flüchtlinge ist erst einmal privat untergekommen. Dennoch ist sehr viel zu tun.
„Die Menschen, die vor dem Schrecken des Krieges flüchten, brauchen nicht nur unsere volle Solidarität, sondern auch umfassende, unbürokratische und vor allem rasche Hilfe“, betonen Bouffier und Al-Wazir unisono bei der Vorstellung des Plans. Von der ersten Unterbringung der Flüchtlinge über die Aufnahme der Kinder in Kitas und Schulen, Sprachkurse, soziale und gesundheitliche Versorgung bis hin zum Zugang auf den Arbeitsmarkt und der Eröffnung eines Bankkontos reicht der Kanon der jetzt geregelten Aufgaben. Nach Angaben der Initiatoren ist Hessen das erste deutsche Bundesland, das einen solchen Aktionsplan erarbeitet hat.
60 Millionen Euro für Hotspots
Für Bouffier ist klar, „dass die humanitäre Hilfe für Flüchtlinge nur in einer gemeinsamen Kraftanstrengung von Bund, Ländern und Kommunen gelingen kann“. Er kündigt 60 Millionen Euro für die hessischen Städte und Landkreise an, die vor allem für die Unterbringung der Menschen zuständig sind. Aber auch die Bundesregierung müsse ihr finanzielles Engagement erhöhen, fordert er. In Deutschland sind nach offiziellen Angaben bislang 398 000 der insgesamt über fünf Millionen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine angekommen. In Hessen waren es bis Anfang der Woche gut 53 000. Wenn die Zahl bundesweit, wie vielfach erwartet, noch auf eine Million steigt, müsste das Land nach dem sogenannten „Königsteiner Schlüssel“ rund 75 000 Flüchtlinge aufnehmen.
Dabei baut Hessen auf die 2015 und 2016 geschaffenen Strukturen auf und setzt auch die ohnehin für Flüchtlingsaufnahme im Haushalt eingeplanten Gelder ein. Die werden aber nicht reichen. Mehrkosten von rund 200 Millionen Euro erwartet die Landesregierung allein in diesem Jahr zusätzlich. Natürlich hofften alle, dass der Krieg so schnell wie möglich zu Ende geht. Doch dass dann alle Ukrainer schnell in ihre ja vielerorts stark zerstörte Heimat zurückkehren könnten, sei kaum zu erwarten, räumt der Ministerpräsident ein. Der Plan kalkuliert deshalb auch mit einem längerfristigen Verbleib vieler Menschen. Der Erwerb der deutschen Sprache soll daher vorrangig gefördert werden, und Wirtschaftsminister Al-Wazir setzt auch auf eine erleichterte Integration in den Arbeitsmarkt.
Bouffier bekräftigt, dass in den Kitas geltende Bestimmungen gelockert werden, um etwa die Gruppengröße zugunsten der Aufnahme ukrainischer Kinder flexibler zu handhaben. Wirtschaftsminister Al-Wazir verwies auf Ausnahmeregelungen im Baugesetzbuch, um schnell zusätzlichen Wohnraum schaffen zu können. Damit soll auch vermieden werden, dass die Unterbringung der Kriegsflüchtlinge zu Lasten ohnehin wohnungssuchender Menschen geht. Unterstützung sichert die Landesregierung auch den Tafeln zu, die seit dem Kriegsausbruch in der Ukraine bei ihrer Essensausgabe stark unter Druck geraten sind.
Noch freie Plätze
Die Landesregierung sei sehr dankbar für das große ehrenamtliche Engagement zur Aufnahme der Flüchtlinge. Sie wisse aber, dass die zunächst privat untergekommenen Menschen meist nicht unbegrenzt dort bleiben können. Im Zweifel müssten sich die Betroffenen dann in den Kreisen und Städten melden. „Wir haben vorgesorgt und verfügen aktuell über 13 400 Unterbringungsplätze, von denen über 8 100 Plätze derzeit nicht belegt sind“, berichtet Bouffier.