Frankfurt. Verrammelte Fenster, abgeblätterter Putz, Graffiti: Vom einstigen Glanz des Alten Frankfurter Polizeipräsidiums ist nach mehr als 20 Jahren Leerstand wenig übrig. Dabei ist das Gebäude vor allem vom einstigen Haupteingang aus durchaus beeindruckend, wurde es doch von 1911 bis 1914 in einer Mischung aus neobarockem und neoklassizistischem Stil errichtet. Jetzt bietet es einen trostlosen Anblick.
Der Wandel ist im Gang
2002 zog das Polizeipräsidium in den Neubau im Frankfurter Nordend. Das alte Gebäude war einige Jahre lang als Off-Location für Partys gefragt, doch mehr und mehr wurde es zum „lost place“. Abenteuerlustige Jugendliche, Obdachlose und Junkies suchten immer wieder nach Möglichkeiten, in das verrammelte Gebäude zu gelangen, häufig mit Erfolg. „Kaum hat man ein Loch zugemacht, mache se zwei neue uff“, klagt der Hausmeister. Aber, vorerst noch äußerlich unbemerkt: Der Wandel ist bereits im Gang.
Denn nachdem das Land Hessen das Gebäude und das umgebende Areal für mehr als 212 Millionen Euro an die Düsseldorfer Gerchgroup verkauft hatte, soll hier ein gemischt genutztes Quartier mit Wohnungen und Büro, einer Kindertagesstätte und Räumlichkeiten für Einzelhandel entstehen.
Mindestens 800 Millionen Euro will das Unternehmen investieren. Am Ende soll eine Symbiose von Altem und Modernen erreicht werden, denn insbesondere im alten Gebäudeteil muss der Denkmalschutz bedacht werden. 2027 soll das Gebäude einschließlich eines neuen Wohn- und Büroturms bezugsfertig sein.
Für Developer ist die Lage des Alten Präsidiums ein Filetstück: mit Blick auf das angrenzende Bankenviertel, optimaler Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, zentraler Lage. „Hier werden ungefähr 4000 Menschen im Quartier leben und arbeiten“, sagt Lukas Reichel, Development Manager der Gerchgroup.
Auch auf Nachhaltigkeit soll gesetzt werden – etwa mit dem Sammeln von Dach- und Regenwasser, das aufbereitet für die Toilettenspülungen verwertet werden soll. „Klar hat jede Wohnung auch einen Parkplatz“, sagt Projektmanager Thomas Diehl. „Aber wir hoffen, genug Anreiz zu geben, damit die Leute das Auto stehen lassen und nur nutzen, um aus der Stadt rauszukommen.“
Bei 30 Prozent der Wohnungen werde es sich um geförderten Wohnungsbau handeln – jeweils zur Hälfte sozialer und preisgedämpfter Wohnungsbau. Zwei Drittel wird das Unternehmen vermarkten – ob als Eigentumswohnungen oder Mietwohnungen, könne noch nicht gesagt werden. „Aber es ist schon hochwertig“, so Reichel.
Erfasst und dokumentiert werden auch Türen und Fenster des alten Hauptgebäudes, die in einigen Räumen im Obergeschoss auf Weiterverarbeitung warten. „Was erhaltenswert ist, soll wieder in das bestehende Gebäude eingebaut werden“, so Reichel.
Mit vier Konservatoren und Bauhistorikern hat sich der Bauherr Experten ins Boot geholt. „Für jedes Bauteil gibt es ein Dokument und eine Einschätzung und darüber wird dann mit der Denkmalschutzbehörde diskutiert und entschieden.“ Klar ist, dass das Haupttreppenhaus mit seinen geschwungenen Treppen, der hohen Decke und den hohen, ornamentreichen Glasfenstern bleiben werde. Derzeit strahlt alles einen maroden Charme aus, in Zukunft soll der alte Glanz wiederhergestellt werden.
Kulisse für Filme
Zu den Fällen, die im Alten Frankfurter Präsidium einst bearbeitet wurden, gehörte der Alltag von Großstadtkriminalität, aber auch aufsehenerregende Kriminalfälle wie der Mord an der Edelprostituierten Rosemarie Nitribitt in den 1950er Jahren oder der bis heute ungeklärte brutale Mord an dem 13-jährigen Tristan Brübach vor 25 Jahren.
Die alte Fernmeldestelle im ehemaligen Präsidium lässt sich heute nur noch erahnen. Eindrucksvoll sind die Ausmaße des einstigen Sitzungssaals, in dem nach dem Zweiten Weltkrieg die Frankfurter Stadtverordnetenversammlung zusammenkam. Wesentlich beengter ging es hingegen in den einstigen Arrestzellen zu. Die gekachelten Räume mit der schmalen Holzbank und den vergitterten Fenstern wirken wenig einladend.
Eigentlich wäre der noch vorhandene „lost place“ die ideale Kulisse für einen Krimi im noir Stil – womöglich gar für einen Frankfurt-Tatort? „Wir hatten schon ein paar Filmteams hier“, sagt Reichel. „Aber der ,Tatort’ hat sich bisher noch nicht bei uns gemeldet.“ dpa