Kinderbetreuung - SPD reicht Klage gegen Strobls Entscheidung ein / Kampf um kostenlose Kitas dauert an

Volksbegehren vor Gericht

Von 
Michael Schwarz
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Kostenlos oder nicht? Der Streit um das Volksbegehren zur Abschaffung der Kita-Gebühren geht in eine neue Runde. Unser Bild entstand in einer Einrichtung in Stuttgart. © dpa

Stuttgart. Der Streit geht in die zweite Runde: Weil ihr Volksbegehren für kostenlose Kitas vom Stuttgarter Innenministerium abgelehnt wurde, reicht die baden-württembergische SPD Klage vor dem Verfassungsgerichtshof ein. „Wir haben sehr gute Argumente auf unserer Seite – nicht nur politisch, sondern auch juristisch“, sagte gestern SPD-Landeschef Andreas Stoch. Zuvor hatte die SPD im Südwesten mehr als 10 000 Unterschriften für ein Volksbegehren eingereicht. Damit wurde die erste Hürde genommen. Allerdings scheiterte das Verfahren dann zunächst am Haus von Innenminister Thomas Strobl (CDU).

So kann es zu einer Volksabstimmung kommen

  • Es müssen 10 000 Unterschriften und ein Gesetzentwurf beim Innenministerium eingereicht werden.
  • Stellt das Ministerium die Rechtmäßigkeit fest, müssen innerhalb von sechs Monaten die Unterschriften von zehn Prozent der Wahlberechtigten gesammelt werden – etwa 770 000.
  • Wird das erreicht, stimmt der Landtag über den Entwurf ab. Gibt es im Parlament keine Mehrheit, kommt es zur Volksabstimmung.

Wäre das Votum der Bürger am Ende erfolgreich, sei dies laut Landesverfassung ein unzulässiger Eingriff in das Staatshaushaltsgesetz, so Strobl. Da sich die Kosten für landesweit kostenlose Kitas nach Einschätzung des Städtetags auf rund 730 Millionen Euro – die SPD spricht von 529 Millionen Euro – beliefen, würde es im Etat kaum Investitionsmöglichkeiten für andere, freiwillige Leistungen geben. Insofern sei die Budgethoheit des Landtags eingeschränkt, argumentiert Strobl.

Stoch attackiert Kretschmann

Stoch wiederum sieht eine Kampagne der Landesregierung – und attackiert Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). „Kretschmann hat den Geist unserer Landesverfassung verraten. Da ist jetzt schon klar, egal, wie es rechtlich ausgeht“, sagte Stoch. „Die Landesregierung hat ein großes Problem mit gebührenfreien Kitas und mit direkter Demokratie.“ Letztere scheine Kretschmann nur lästig zu sein.

Der Prozessbevollmächtigte der Südwest-SPD in dem juristischen Verfahren ist Joachim Wieland, Verfassungsrechtler aus Speyer. Laut ihm lässt die baden-württembergische Verfassung für Instrumente der direkten Demokratie einen großen Spielraum. Dies gelte auch für Vorhaben, die viel kosteten. Weiter habe der Bundesgesetzgeber bei der Begründung des Gute-Kita-Gesetzes explizit darauf hingewiesen, die Länder seien weiter für die Erhebung von Kita-Elternbeiträgen zuständig.

Die baden-württembergischen Kommunen erheben momentan für die Betreuung der Kinder unterschiedliche Beiträge. Die Landesregierung hatte bereits mehrfach betont, dass sie gegen flächendeckend gebührenfreie Kitas sei. Vor allem die Grünen wollen aber das Feld der direkten Demokratie nicht der oppositionellen SPD überlassen. Deswegen hatte sich Ulrich Sckerl, Fraktionsvize der Grünen im Landtag, dafür ausgesprochen, bei einem Scheitern der Sozialdemokraten vor Gericht die Verfassung hier ein weiteres Mal zu ändern. Zusammen mit der SPD senkten die Grünen 2015 die direktdemokratischen Hürden.

„Unsere Verfassung lässt eine bürgerfreundliche Auslegung in jedem Fall zu, aber das scheint keine der Regierungsparteien zu interessieren“, sagte Sarah Händel, Landesgeschäftsführerin des Vereins „Mehr Demokratie“. Setze sich das Innenministerium durch, bleibe das Recht auf Volksentscheide zu Landesthemen „eine schillernde Seifenblase, die platzt, sobald die Bürger danach greifen“.

Sollte die SPD vor Gericht Erfolg haben, will sie das Volksbegehren schnell vorantreiben. Unterliegt sie, planen die Sozialdemokraten, mit dem Thema in den Landtagswahlkampf 2021 zu ziehen.

Korrespondent

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