Frankfurt. Zwei Tage vor dem Urteil im Prozess um den Tod des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke hat sich der mutmaßliche Täter Stephan E. in seinem letzten Wort bei der Witwe und den beiden Söhnen des CDU-Politikers entschuldigt. „Ich bereue zutiefst, dass ich Ihnen den Ehemann und Vater genommen habe“, sagte der 47-Jährige. „Was ich (im Prozess) gesagt habe, ist die Wahrheit.“ Er sei weiterhin bereit, Antworten auf Fragen der Familie zu geben.
Zuvor hatten die Verteidiger des wegen Beihilfe angeklagten Markus H. Freispruch für ihren Mandanten gefordert. In seinem Schlussvortrag vor dem Oberlandesgericht (OLG) forderte der Anwalt Björn Clemens außerdem, das Gericht solle feststellen, dass H. „für die erlittene Untersuchungshaft zu entschädigen ist“.
Clemens widersprach dem Vorwurf der Bundesanwaltschaft, H. habe E. politisch beeinflusst und radikalisiert. Unter anderem verwies er auf den Besuch von E. bei einer Sonnenwendfeier bei einer „Zentralfigur der rechten Szene“ Jahre nach seinem angeblichen Ausstieg. „Herr E. ist nicht ausgestiegen, deswegen bedurfte es auch nicht Herrn H., um wieder einzusteigen, denn der war nie draußen.“ Zudem verwies er auf den psychiatrischen Gutachter, der E. ein tief verwurzeltes, extremistisches Weltbild bescheinigt habe. „Wie kann H. da für eine Radikalisierung verantwortlich sein?“, fragte Clemens, der als „Szeneanwalt“ für Angeklagte rechter Straftaten gilt. Sein Mandant sei zu Unrecht angeklagt.
In dem Verfahren vor dem Staatsschutzsenat wird E. vorgeworfen, im Juni 2019 den CDU-Politiker Lübcke auf der Terrasse von dessen Wohnhaus erschossen zu haben. Die Anklage geht von einem rechtsextremistischen Motiv aus. E. hatte die Tat gestanden, allerdings unterschiedliche Tatversionen geschildert. Nach seiner Aussage vor Gericht war auch H. am Tatort.
Die Bundesanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer lebenslange Haft und anschließende Sicherungsverwahrung für E. und eine Haftstrafe von neun Jahren und acht Monaten für H. gefordert.
Versteinerte Mienen
Der Nebenklagevertreter hingegen hatte im Namen der Hinterbliebenen des CDU-Politikers eine Verurteilung von H. als Mittäter wegen Mordes gefordert. Die Witwe und die Söhne Lübckes seien überzeugt, dass E. die Wahrheit gesagt habe, als er angab, auch H. sei am Tatort gewesen.
Die Witwe und die beiden Söhne Lübckes verfolgten die Ausführungen mit versteinerten Mienen. In einer Stellungnahme des Sprechers der Familie Lübcke hieß es nach dem Verhandlungstag, es sei schwer erträglich gewesen, die Plädoyers zu erleben. Sie seien im Stil unangemessen und in der Sache fehlerhaft gewesen. lhe