Stuttgart. Das Interesse an Fördergeld für den Bau von Sozialwohnungen ist in Baden-Württemberg im letzten Jahr deutlich gesunken. In den neun Monaten von April bis Dezember reichten Investoren Anträge für den Bau von 1161 neuen Sozialwohnungen ein. In den zwölf Monaten davor waren es nach Angaben von Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) dagegen 1725 Einzelanträge.
Jährlich 70 000 neue Wohnungen verlangt
Um Wohnungsmangel und stark steigenden Mieten im Südwesten zu begegnen, muss nach Ansicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) deutlich mehr gebaut werden als bislang. „Die Zielmarke muss pro Jahr 70 000 neue Wohnungen sein –mit einer Quote von zehn Prozent Sozialwohnungen“, forderte gestern Baden-Württembergs DGB-Chef Martin Kunzmann. 2017 seien es gerade einmal halb so viele gewesen.
Entscheidend sei aber nicht nur, dass gebaut werde, sondern auch, zu welchen Preisen die Wohnungen vermietet würden, sagte Kunzmann und sprach sich für eine aktivere Wohnraumpolitik aus. „Das Land braucht dringend wieder eine Landesentwicklungsgesellschaft, die als wohnungspolitischer Akteur einen eigenen Wohnungsbestand aufbaut und so Druck aus dem Markt nimmt“, betonte er. dpa
„Der deutliche Rückgang der Anträge ist für mich der Beweis für das wohnungspolitische Scheitern von Hoffmeister-Kraut“, kritisiert der SPD-Landtagsabgeordnete Daniel Born die CDU-Politikerin. Seiner Ansicht nach „verzettelt sich die Ministerin im Koalitions-Klein-Klein und bleibt auf der Wohnungsraumförderung sitzen“. Von den 500 Millionen Euro, die Grün-Schwarz in den vergangenen beiden Jahren für den Wohnungsbau zur Verfügung gestellt hatte, waren 160 Millionen Euro nicht abgerufen worden.
Eine ganz andere Sicht auf die Dinge hat Hoffmeister-Kraut. Sie betont: „Wir haben 2017 die Trendwende bei den Antragszahlen erreicht und konnten dieses Niveau 2018 stabilisieren.“ Sie habe „aber früh erkannt, dass das nicht ausreicht, um die eigenen Ziele zu erreichen“. Denn überall dort, wo sich Mietwohnungsbau nicht lohne, helfe auch die soziale Mietwohnungsförderung nicht weiter. Das beste Programm laufe ins Leere, wenn es zu wenig baureife Flächen gebe.
Bestand schrumpft
Die Förderung der Landesregierung konnte nicht verhindern, dass die Zahl der Sozialwohnungen zuletzt weiter gesunken ist. Zweimal hat das Wirtschaftsministerium Städte und Gemeinden befragt: Ende 2016 gab es nach dieser „repräsentativen Erhebung“ in Baden-Württemberg 58 600 Wohnungen mit Sozialbindung. Zum Jahreswechsel 2017 auf 2018 waren es noch 58 400.
Die meisten sozial gebundenen Mietwohnungen standen zu diesem Stichtag in Stuttgart zur Verfügung (12 700 Stück). Auf Platz zwei folgte Mannheim mit 5264, im nahezu gleich großen Karlsruhe waren es nur 3580. In Heilbronn und Konstanz gab es jeweils 1340 Wohneinheiten.
Aber allein 2018 waren landesweit knapp 24 000 Wohnberechtigungsscheine neu vergeben worden. Ein Vier-Personen-Haushalt kann bis zu einem Bruttoeinkommen von 67 300 Euro im Jahr einen Antrag auf eine Sozialwohnung stellen. Der Betrag liegt deutlich über dem Durchschnittseinkommen, das vom Statistischen Landesamt mit 54 200 Euro beziffert wird. Eine Einzelperson kann bis zu einem Jahreseinkommen von 49 300 Euro einen Antrag stellen.
Zuletzt waren die Einkommensgrenzen 2017 angehoben worden. „Mit der Erhöhung um zehn Prozent wurde der Tatsache Rechnung getragen, dass mittlerweile auch Haushalte mit mehr als nur geringem Einkommen Schwierigkeiten haben, bezahlbaren Wohnraum zu finden“, begründet dies eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. Die Experten der Wohnraumallianz würden das mittragen.
Grüne und CDU streiten seit Monaten über eine neue Förderkonzeption. Ein zentraler Konfliktpunkt ist der von Hoffmeister-Kraut vorgeschlagene Kommunalfonds, der Städte und Gemeinden mit einem Bündel von Maßnahmen bei der Schaffung von preiswerten Wohnungen unterstützen soll. Dort will die CDU-Politikerin die nicht abgerufenen 160 Millionen Euro einbringen. Die Grünen befürworten dagegen die Gründung einer Planungsgesellschaft, die Kommunen unterstützen soll. Ein Ende des Streits ist noch nicht abzusehen.