Karlsruhe. Die Welle an „Diesel-Verfahren“ infolge des Abgasskandals in der deutschen Automobilbranche belastet das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe. Allein im ersten Halbjahr 2021 seien mehr als 950 neue Fälle dazugekommen, in den vergangenen drei Jahren seien es je 1280 bis 2550 gewesen. „Das lässt also nicht nach“, machte OLG-Präsident Alexander Riedel am Mittwoch deutlich. Auf solche Massenverfahren sei das baden-württembergische Gericht aber nicht ausgerichtet, sagte er.
Das OLG Karlsruhe ist unter anderem Beschwerde- und Berufungsinstanz in Zivilsachen von Mannheim bis Konstanz und gemessen an der Einwohnerzahl das sechstgrößte OLG in Deutschland. 97 Richterinnen und Richter arbeiten am OLG, das eine Außenstelle in Freiburg hat.
Rechnerisch fehlten 13 weitere. Doch mit Blick auf den Corona-Haushalt helfe der reine Ruf nach mehr Personal nicht, sagte Riedel. „Wir müssen selber den Kopf aus dem Sumpf ziehen.“ So gebe es einen Sondersenat für „Diesel-Verfahren“. Und eine halbe Stelle sei vom Straf- ins Zivilrecht gewandert. Das Problem bei den Fällen sei, dass sie zwar oft ähnliche Themen betreffen – im Detail aber sehr unterschiedlich seien, sagte Riedel.
Immer längere Schriftsätze
OLG-Sprecher David Stuhlmann erläuterte, dass spezialisierte Kanzleien zudem äußerst lange Schriftsätze schickten. Statt üblicher zehn Seiten seien es schon mal 120. Auch wenn die Texte oft aus Bausteinen bestünden, dürfe man kein Detail überlesen. „Und die Autokonzerne reagieren mit der Crème de la Crème der deutschen Anwaltschaft.“ Da kämen noch mal 80 Seiten hinzu. „Man kann das nicht am Justizfließband abarbeiten“, so Stuhlmann. Zudem passten sich die Anwälte der laufenden Rechtsprechung an und ergänzten zum Beispiel die Liste möglicher Mängel, wenn ein anderer nicht anerkannt wird. lsw