Stuttgart. Mit Lob und Kritik haben Politik und Wirtschaft am Mittwoch auf den von Grünen und CDU vorgestellten Kompromiss über das Bleiberecht von arbeitenden und integrierten Flüchtlingen reagiert. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Worum ging es überhaupt??
Um Flüchtlinge, die einen Arbeitsplatz haben und integriert sind, aber kein Bleiberecht in Deutschland haben. Etwa weil ihr Asylantrag abgelehnt wurde. Diese Personen sind gesetzlich zur Ausreise verpflichtet. Kommen sie dieser Aufforderung nicht freiwillig nach, können sie abgeschoben werden. Einzelne Abschiebungsfälle hatten landesweit zu Protesten auch seitens der Wirtschaft geführt. Eine im Dezember zunächst verkündete Einigung zwischen Grünen und CDU war zwischenzeitlich wieder auf Eis gelegt worden.
Was wurde beschlossen?
Integrierte Flüchtlinge, die vor dem 29. Februar 2016 nach Deutschland eingereist sind, oder deren Arbeitgeber, aber auch Kommunen und Landkreise können sich in konkreten Fällen an die Härtefallkommission wenden, die eine Duldung und Beschäftigungserlaubnis prüft und befürworten kann. Das Innenministerium kann dieser Ermessensempfehlung folgen. Ausgenommen sind Straftäter oder Identitätsverweigerer. Während der Prüfung sind die Betroffenen vor einer Abschiebung geschützt. Zeitgleich vereinbarten Grüne und CDU, erneut eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Bundesrechts zu starten. Auch über die Verschärfung des Polizeigesetzes wurde man einig. Demnach darf die Polizei künftig im häuslichen Bereich Bodycams einsetzen.
Was sagen die Unternehmer dazu?
Antje von Dewitz, Chefin des Tettnanger Outdoor-Herstellers Vaude und Mitbegründerin der Unternehmerinitiative Bleiberecht, äußert sich zurückhaltend. „Zunächst freue ich mich über die Einigung. Aber ich bin skeptisch, ob sie eine große Reichweite erzielen wird“, erklärte sie dieser Redaktion. Der baden-württembergische Industrie- und Handelskammertag begrüßt die geplante Bundesratsinitiative. Eine überfällige Einigung nannte es der Baden-württembergische Handwerkstag und mahnte eine verlässliche Umsetzung und eine langfristige Regelung jenseits der Option durch die Härtefallkommission an.
Hätte man sich nicht schon früher verständigen können?
Ja und Nein. Während des dreijährigen Streits zwischen Grünen und CDU in Baden-Württemberg über dieses Thema hat der Bund das Aufenthaltsrecht geändert. Anfangs hoffte man, dass ein Bundesrecht den Streit hinfällig machen würde. Als dies nicht der Fall war und andere Bundesländer eigene Wege für eine sogenannte Ermessensduldung fanden, wuchs der Druck, auch in Baden-Württemberg eine rechtskonforme Lösung zu finden. Spätestens seit dem 12. Dezember aber stand die jetzt beschlossene Einigung schon fest – nur legten sie Grüne und CDU unterschiedlich aus. Das soll jetzt vom Tisch sein.
Gibt es einen Haken bei der Verständigung?
Es gibt keine Rechtsverbindlichkeit. Empfiehlt die Härtefallkommission, einem Flüchtling eine Bleibeperspektive zu gewähren, muss das Innenministerium dieser Empfehlung nicht zwingend folgen. Sowohl Grüne als auch CDU gehen aber davon aus, dass das Innenministerium den Ersuchen folgt.
Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Zu lange untätig