Birkenfeld. Der Corona-Ausbruch unter den Mitarbeitern des Schlachtgroßbetriebs Müller Fleisch in Birkenfeld (Enzkreis) bei Pforzheim scheint unter strengen behördlichen Auflagen gestoppt, ohne dass der Betrieb geschlossen werden musste. Zudem hat der Enzkreis am Freitag weitergehende Arbeitsschutzverordnungen für den Betrieb und die Beschäftigten erlassen. „Damit setzen wir bereits wichtige Punkte aus dem auf Bundesebene gerade erst beschlossenen Arbeitsschutzprogramm um“, sagte Wolfgang Herz, Vize-Landrat des Enzkreises.
Bundesregierung beschließt schärfere Regeln
- Die Bundesregierung hat in Zusammenhang mit dem Corona-Ausbruch in mehreren Großschlachtbetrieben schärfere Regeln für die Fleischindustrie beschlossen, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Ausgenommen sind kleine Betriebe und Metzgereien.
- Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) soll ein entsprechendes Gesetz ausarbeiten lassen. Kernpunkte sind: Abschaffung von Werkverträgen, hohe Bußgelder und mehr Kontrollen.
- Das Familienunternehmen Müller Fleisch GmbH hat einen Jahresumsatz von rund 500 Millionen Euro.
- Es beliefert im In- und Ausland den Lebensmitteleinzelhandel, Discounter, Verarbeitungsindustrie, Großhandel, Großverbraucher, Metzgerhandwerk und Gastronomie.
- Am Standort Birkenfeld werden rund 120.000 Rinder pro Jahr geschlachtet.
- Am Standort in Ulm sind es rund eine Million Schweine. bub
Der Ausbruch des Virus bei dem Rinderschlachtbetrieb und die rasche Verbreitung unter den 1100 Beschäftigten, darunter 725 Beschäftigte mit Werkverträgen von Subunternehmern, hatte bundesweit ein düsteres Schlaglicht auf die Arbeitsbedingungen in der Branche und die Wohnumstände der vorwiegend aus Rumänien, Ungarn und Polen stammenden Arbeiter geworfen. Viele leben günstig auf engem Raum in Gemeinschafts- und Sammelunterkünften, die von den Subunternehmern angemietet werden. „Das muss nicht zwingend heißen, dass sie da schlecht untergebracht sind. Und es ist für viele, die nur ein halbes Jahr herkommen, auch sehr bequem, sich um nichts kümmern zu müssen und mit Menschen zusammenzuwohnen, die ihre Sprache sprechen“, sagt Klaus Mack, Bürgermeister der Gemeinde Bad Wildbad im benachbarten Kreis Calw, wo ebenfalls viele Müller-Beschäftigte unterkommen. „Aber es ist höchste Zeit, dass mal ein genauer Blick auf die Branche geworfen wird“, so Mack.
Abstand und Einzelbetten
Dass die Subunternehmer günstige Immobilien anmieten, die anderweitig kaum vermietbar wären und in denen die gebotenen Hygiene- und Abstandsregeln kaum eingehalten werden können, ist kein Geheimnis. Im Zuge der Infektionskette bei Müller Fleisch wurde am Mittwoch eine zweite Unterkunft im Enzkreis geschlossen, in der 19 Rumänen in einem Einfamilienhaus lebten. „Wir haben die Nutzung aufgrund der Baurechtswidrigkeit insbesondere beim Brandschutz untersagt und Sofortvollzug verfügt“, so Herz. Der Subunternehmer muss bis Montag eine neue Bleibe für seine Arbeiter gefunden haben.
Bereits vor einer Woche hatte der Kreis in einer anderen Gemeinde eine Unterkunft geschlossen. Dort waren 30 Menschen betroffen. Unterdessen ist seit dem 12. Mai unter den Beschäftigten kein neuer positiver Infektionsfall registriert worden. 399 Mitarbeiter, ein Drittel der gesamten Belegschaft, hatten sich mit dem Virus infiziert; 363 von ihnen gelten mittlerweile als geheilt.
Eine dritte Testreihe unter den Beschäftigten in der kommenden Woche soll darüber entscheiden, ob die seit fünf Wochen geltende Quarantäne-Verfügung für den Betrieb aufgehoben wird.
Die am Freitag erlassene Verordnung ist das Ergebnis einer Betriebsbesichtigung vom Mittwoch, bei der eine 20-köpfige Behördendelegation sich vor Ort ein Bild von der Umsetzung des vom Unternehmen erarbeiteten Pandemieplans 2.0 machte. Das Unternehmen muss die Einhaltung des 1,5-Meter-Abstands und das Tragen normgerechten Mund-Nasenschutzes auf dem gesamten Betriebsgelände garantieren und kontrollieren, die verpflichtende Gesundheitskontrolle beim Zugang zum Betriebsgelände wird aufrechterhalten. Neu ist zudem, dass aus Infektionsschutzgründen in den Sammelunterkünften allen Mitarbeitern, auch denen, die bei einem Subunternehmer angestellt sind, ab 31. Juli ein Einzelschlafraum zur Verfügung stehen muss. Bereits bis zum 22. Juni muss die Zimmerbelegung auf maximal zwei Personen reduziert werden. Das Gesundheitsamt muss auf Nachfrage jederzeit über die Wohnanschrift der im Betrieb Arbeitenden unterrichtet werden. Zudem wird eine wöchentliche Berichtspflicht der Firma eingeführt, die eventuelle Verstöße gegen die Auflagen auflisten und beschreiben muss, wie sie dagegen vorgegangen ist.
Vom Unternehmen selbst war am späten Nachmittag keine Stellungnahme mehr zu erhalten. Die Unternehmensleitung hatte zuvor stets ihre volle Kooperationsbereitschaft mit den Behörden signalisiert.