Viernheim. Der „mitreißende Musiker“, der „unermüdliche Schaffer“, der „radelnde Kantor“, der Authentische, der Zuverlässige, der Anspruchsvolle – all das ist Martin Stein in den Augen seiner beruflichen Wegbegleiter. Davon hat er jede Menge. Denn mehr als 35 Jahre lang prägte er als Kantor die evangelischen Gemeinden Viernheims. Und wirkte dabei auch weit über die Kirche hinaus. „Er war eine große Bereicherung für die ganze Stadt“, so Bürgermeister Matthias Baaß. Für Stein beginnt nun ein neues Kapitel. Am Sonntag verabschiedete der 61-Jährige sich in den Ruhestand.
„Heute ist ein besonderer Tag“, kündigt Pfarrer Markus Eichler gleich zu Beginn des Gottesdienstes an. „Eine Ära geht zu Ende.“ Wie lang so eine Ära tatsächlich ist, macht er auch gleich deutlich: „Als Martin Stein seinen Dienst in Viernheim antrat, war ich gerade sieben Jahre alt.“ Lachen schwappt durch die bis zum letzten Platz besetzte Auferstehungskirche. Wie so oft im folgenden Gottesdienst, durch den sich Steins Wirken und seine Persönlichkeit wie ein roter Faden zieht. Nicht nur, weil gleich mehrere musikalische Gruppen, die Stein gegründet hat, den Vormittag singend oder instrumental mitgestalten. Auch weil so viele Wegbegleiter gekommen sind, dass einige stehen müssen. Und weil trotz allem Abschiedsschmerz so viel gelacht wird.
Auch im Dekanat tätig
Seit August 1987 arbeitete Stein als Kantor in Viernheim – erst in der einen damals bestehenden evangelischen Gemeinde, ab 1993 dann in zwei Gemeinden. Von 2004 an war er auch für das Dekanat Bergstraße tätig. Aufgewachsen ist Stein im pfälzischen Ellerstadt. Schon als Kind begeisterte ihn Musik. Er studierte Kirchenmusik in Heidelberg und bewarb sich danach als Kantor in Viernheim.
„Der Grund, warum er sich für Viernheim entschied, war die nagelneue Noeske-Orgel“, ist für Silke Bienhaus, die für Kirchenmusik zuständige stellvertretende Dekanin im Dekanat Bergstraße klar. In ihrer Abschiedsrede macht sie aber deutlich, dass Stein neben dem eigenen Musizieren noch etwas anderes wichtig war: „Du wolltest, dass Musik berührt. Und dass Menschen dadurch über sich hinauswachsen.“
Um das zu erreichen, initiierte Stein im Laufe der Jahre unzählige musikalische Projekte – von Konzerten über vielfältigste Musikgruppen bis hin zu Musicals, eines davon sogar von Jugendlichen seines Chors selbst geschrieben. 35 Jahre lang war Stein, da sind sich alle Redner einig, eine wichtige Konstante in den evangelischen Gemeinden Viernheims. „Es gab viele Wechsel. Aber du warst immer eine beständige Größe“, beschreibt es Bienhaus. „Und viele wünschten sich, dass das immer so weitergehen würde.“
Doch so großes Engagement sei eben auch anstrengend und „deshalb geben wir dich frei“, sagt sie in der offiziellen Entpflichtung des Kantors – wenn auch schweren Herzens. Für Bienhaus „bleibt eine große Dankbarkeit“. Und die Hoffnung, dass der immer so umtriebige Kantor auch im Ruhestand nicht lange untätig bleiben kann.
Stein selbst lässt offen, was er sich für die nächsten Jahre vorgenommen hat. Erstmal schaut er glücklich zurück auf seine Berufsjahre: „Glück, Segen und Lebensfreude habe ich viel erlebt“, sagt er. „Wichtig war mir nie nur die gelungene Aufführung, sondern der Weg mit den Menschen dorthin.“
Für seine Nachfolge, die noch gefunden werden muss, lässt er eine Flasche Sekt zurück, seine Stimmgabel – und eine Bitte: „Bereitet ihm oder ihr einen ebenso guten Empfang wie mir damals. Danke und Ende.“