Viernheim. Bürgermeister Matthias Baaß hat sich im Gespräch mit dieser Redaktion anlässlich der aktuellen Lage in der Corona-Pandemie „sehr verärgert“ über die Bundespolitik gezeigt. Durch das lange Versäumnis wichtiger Entscheidungen zur Eindämmung der Pandemie vor und nach der Bundestagswahl habe Berlin fahrlässig eine Gefahrensituation herbeigeführt, erklärte Baaß. Gleichzeitig äußerte er sich stolz auf das Impfzentrum in Viernheim.
Laut dem Betreiber Kreis Bergstraße würden dort täglich 250 Menschen ohne große Wartezeiten geimpft. Die Einrichtung sei jedoch noch in der Anlaufphase. Ziel seien 400 Impfungen am Tag. Dafür stellt die Stadt zunächst bis Ende Februar den kleinen Saal des Bürgerhauses zur Verfügung (wir berichteten). Die kassenärztlichen Vereinigungen hätten die Lage falsch eingeschätzt, in dem sie meinten, die Hausärzte schafften alle Impfungen, so Baaß.
„Das eigentliche Problem war im September gerade nicht Corona, sondern das verzögerte Handeln der Politik. Die Bundestagswahl und die sich anschließende Regierungsbildung haben dazu geführt, dass es über Monate keine Linie mehr gab. Die Entscheidungen, die in den letzten 14 Tagen getroffen wurden, hätten mindestens zwei Monate zuvor fallen müssen“, führte das Stadtoberhaupt weiter aus.
Im Wahlkampf hätten sich die Bewerber wohl nicht getraut, den ,worst case’ zu thematisieren. „Danach hatten die einen keine Lust mehr und die anderen keine Zeit.“ Natürlich habe Verständnis für die Koalitionäre. Es sei sicherlich eine schwierige Aufgabe, aus drei Parteien eine Regierung zu bilden.
Virologen haben immer gewarnt
Dennoch, vor dem Hintergrund der sich aufbauenden vierten Corona-Welle müsse man stringentes Handeln erwarten. „Die Verantwortlichen hätten die Pandemie aus ihren Verhandlungen ausklammern und ein Expertenteam mit der sofortigen Ausarbeitung von Gegenmaßnahmen beauftragen müssen.“
Auch wenn viele Menschen nach dem Sommer Corona ein wenig vergessen hatten, die Virologen hätten nicht aufgehört zu warnen, sagte Matthias Baaß. So hätte etwa die Impflicht in Einrichtungen mit engem Kontakt zu Menschen sofort nach der Wahl entschieden werden müssen. Hier sei wieder zutage getreten, dass den Entscheidern in Berlin der „kommunale Pragmatismus“ abgehe.
Auf die Frage nach der aktuellen Situation im Forum der Senioren, dem Altenpflegeheim der Stadt, sagte Baaß, hier müsse er drei Mal auf Holz klopfen. Im Moment gebe es dort keine Infektionen. Allerdings verberge sich hinter diesem Ergebnis ein enormer Aufwand für die Mitarbeitenden. So würde das Personal täglich getestet. Auch die Bewohner könnten sich täglich testen lassen, allerdings freiwillig.
Gleichermaßen angespannt sei die Situation in den Kindertagesstätten. Weil immer wieder auch Personal ausfalle, käme es auch wiederholt zu eingeschränkten Öffnungszeiten. Bedauerlich finde er die Lage gerade aber auch für die Kinder, so Baaß. Ihnen fehlten die gewohnten gemeinsamen Aktionen und die übliche Form der Zuwendung.
Das Winterdorf beim Rhein-Neckar-Zentrum empfinde er als großes Ärgernis, sagte der Bürgermeister. Vor Kurzem seien Videos in Umlauf gewesen, die zeigten, wie Menschen dort dicht an dicht und ohne Maske fröhlich vor sich hin feierten. „Das Ordnungsamt hat darauf sofort mit Kontrollen reagiert. Jetzt stimmen wenigsten die Abstände so einigermaßen. Aber erlaubt ist der Betrieb bedauerlicherweise nach wie vor.“
Am dichtesten besiedelte Stadt
Nachweisbare Erklärungen dafür, warum Viernheim im Kreis mit den Infektionszahlen erneut vorne liegt (am Dienstag waren es 22 Infektionen) , gebe es nicht, so Baaß. Das Gesundheitsamt habe keine Erkenntnisse über spezielle Infektionsherde oder -schwerpunkte. Er erkläre sich die hohen Zahlen damit, dass Viernheim die am dichtesten besiedelte Stadt in Kreis ist, und mit der Nähe zu Mannheim, sagte Baaß.
Das bundesweit geltende Feuerwerk-Verbot in der Silvesternacht halte er für richtig. Es gebe in Viernheim zwar keine Hotspots, Kontrollen seien dennoch vorgesehen.