Vortrag

Rodin schlägt Brücke ins Morgen

Yvonne Weber im Kunstraum Gutperle zu Gast

Von 
H.T.
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Gerdi Gutperle (l.) dankt Yvonne Weber mit Blumen. © Kunstraum Gutperle

Viernheim. Bei vielen Kunstfreunden war die Freude groß, dass Gerdi Gutperle wieder einmal die Heidelberger Kunsthistorikerin Yvonne Weber zu einem Vortrag in ihrem Kunstraum gewinnen konnte. Vor voll besetztem Haus sprach die Gastgeberin über den französischen Bildhauer Auguste Rodin, der in der bildenden Kunst „eine Brücke zwischen Gestern und Morgen“ geschaffen hat.

Um dies zu beweisen, zeigte die Referentin die Entwicklung dieser Kunstrichtung von ihren Anfängen mit der Venus von Willendorf, die vor 25 000 Jahren entstanden war, über die Archaik, wo die Skulpturen noch teilweise im Stein verhaftet waren, bis hin zur Antike mit dem „Speerträger“ im fünften Jahrhundert vor Christus, der sich bereits in den Raum bewegt.

Mit Auguste Rodin sollte sich das grundlegend ändern. 1840 in Paris geboren, musste er sich mühsam sein Geld als Stuckateur und Gehilfe in einer Bildhauerwerkstatt verdienen. Obwohl er ein brillanter Zeichner war, lehnte man ihn an der Höheren Kunstschule drei Mal ab. Der Tod seiner geliebten Schwester löste eine tiefe Lebenskrise in ihm aus, und er beschloss, ins Kloster zu gehen, wo er für ein Jahr blieb. Ein Pater verhalf ihm zu einem Atelier.

Mit 24 Jahren bekam er mit Rose Beuret seinen einzigen Sohn. Er reiste nach Florenz und Rom, um die Werke von Michelangelo kennenzulernen. 1875/76 brach er total mit den alten Sehgewohnheiten. Es entstand das „Eherne Zeitalter“, ein 1,80 Meter hoher Mensch. Mit dem „Schreitenden“ erschien erstmals in der Kunstgeschichte ein Torso als eigenständiges Kunstwerk.

Ende der 1880er Jahre kam Camille Claudel zu Rodin. Sie wurde seine Schülerin, Muse und Geliebte. Die Beziehung dauerte zehn Jahre.

Rodin erhielt den Auftrag von der Stadt Calais für ein Denkmal für jene sechs Bürger, die sich im 15. Jahrhundert im englisch-französischen Krieg für die Rettung ihrer Stadt geopfert hatten. Er bestand darauf, diese Männer als Menschen, in Lumpen gekleidet, mit einem Strick um den Hals und auf Augenhöhe mit dem Betrachter darzustellen.

Die wichtigsten Neuerungen, die Rodin in der Bildhauerei eingeführt hat, sind die Allansichtigkeit, der Torso, Denkmäler ohne Sockel, Einzelteile bei Handhaltungen als eigenes Kunstwerk und „non finito“, das heißt, ein Teil der Figur wird roh belassen. Beispiele sind „Der Kuss“ oder „Der Gedanke“, wo nur der Kopf bearbeitet ist. Rodin hat auch Buchillustrationen geschaffen.

Er heiratete mit 76 Jahren seine langjährige Lebensgefährtin Rose Beuret, die zwei Wochen nach der Hochzeit verstarb. Er selbst verstarb noch im November des selben Jahres 1917. Sein Haus in Meudon wurde zum Musée Rodin.

Yvonne Weber verwies auf die Ausstellung „Herausragend – Von Rodin bis Picasso“, die vom 24. Mai bis 17. September im Städel in Frankfurt zu sehen sein wird. H.T.