Mannheim. Im Corona-Jahr 2020 hat sich auf den Mannheimer Friedhöfen ein überraschender Trend entwickelt: Es gab weniger anonyme Bestattungen. Die Zahl derjenigen, die an einer Urnengemeinschaftsstelle ohne Beschriftung beerdigt wurden, stieg in den vergangenen Jahren bisher stetig an, berichtet Friedhofs-Chef Andreas Adam. 2019 war mit 649 anonymen Beisetzungen vorerst der Höchststand erreicht. Adam hatte fest damit gerechnet, dass sich dieser Trend fortsetzt, doch ausgerechnet im Coronajahr zählte er mit 584 anonymen Beisetzungen 65 weniger als 2019.
Pflegearme Variante gefragt
Auch die Zahl der Beisetzungen auf den Mannheimer Friedhöfen ist gesunken. 2019 waren es noch 3056, im Jahr 2020 zählte Adam 2981 Beisetzungen. Feuerbestattungen sind nach wie vor deutlich gefragter als Beerdigungen mit Sarg. Im Gegensatz zum Vorjahr gab es aber 2020 ein Prozent mehr Erdbestattungen. Besonders beliebt sind nach wie vor die Parkgrabfelder. Der Kunde kann auch dort zwischen Sarg und Urne wählen und schließt zusätzlich zur Grabpacht einen Pflegevertrag ab, denn alle Gedenkstätten auf diesen Anlagen werden von Gärtnern bepflanzt. Von 125 bis zu 526 Euro im Jahr lassen sich das viele Mannheimer kosten. Weil die Nachfrage steigt, sind weitere Parkgrabfelder sowohl auf dem Hauptfriedhof als auch in Feudenheim und auf dem Rheinauer Friedhof geplant.
Insgesamt so teilte die Stadt auf Anfrage mit, gab es 2019 in Mannheim 3409 Sterbefälle, im Jahr der Pandemie waren es zehn mehr (3419). Einen auffälligen Anstieg sowohl bei den Beisetzungen als auch bei den Sterbefällen gab es also nicht. Auch deshalb, so berichtet Adam, habe es in Mannheim zu keinem Zeitpunkt Verzögerungen bei Beisetzungen gegeben – „oder solche Bilder, wie wir sie aus anderen Regionen kennen, wo die Särge gestapelt werden mussten“. Herausforderungen hatte das Friedhofsamt dennoch zu bewältigen. Besonders belastend waren die wechselnden Zahlen der für eine Beerdigung zugelassenen Personen.
Im März 2020 waren es zehn, kurzfristig sogar mal nur fünf, im Mai dann 50, über den vergangenen Sommer hinweg waren 100 Personen erlaubt. Als im Winter die dritte Welle anrollte, sank die Zahl auf 30, nun sind es wieder 100. „Manchmal wechselten die Zahlen zwischen Vertragsabschluss und Beisetzung“, berichtet Adam. Und er hat heute noch Verständnis für alle Angehörigen, die das nur schwer akzeptieren konnten – aber mussten.
Ein weiterer Aufwand für den Friedhofs-Chef und sein Team waren und sind die Hygieneauflagen. „Die Leichenwagen müssen nach jeder Fahrt mit einem Corona-Toten gereinigt, die Abschiedsräume desinfiziert werden.“
Dazu kam die Beschaffung von Schutzkleidung, aber auch die Angst unter den Mitarbeitern, selbst zu erkranken, wenn sie mit einer an Corona verstorbenen Person zu tun hatten. Ein Mund-Nasen-Schutz ist selbstverständlich längst Standard geworden bei den Sargträgern. „Mittlerweile verwenden unsere Leute einheitliche, schwarze FFP2-Masken“, versichert Adam. Es habe vereinzelt Beschwerden gegeben, als helle verwendet wurden, fügt er erklärend hinzu. Insgesamt hätten die Hygieneauflagen mehr als 80 000 Euro verschlungen.
Deutlich weniger Trauerfeiern
Geldsorgen bereitet dem Amtsleiter auch die deutlich verringerte Zahl von Abschieden in der Trauerhalle. Schon vor Corona habe sich abgezeichnet, dass immer mehr Mannheimer auf eine Trauerfeier verzichten. 2020 gab es allerdings, wie Adam sagt, mit 401 weniger als im Vorjahr (2019: 1917, 2020: 1516) einen echten „Einbruch“. Acht Wochen lang war die Halle im Frühjahr 2020 wegen Corona komplett geschlossen. „Aber damit ist der massive Rückgang nicht allein zu erklären“, betont Adam. Unterm Strich fehlten ihm dadurch 120 000 Euro, die allerdings von der Stadt ausgeglichen wurden.
Angehörige von rund 40 Verstorbenen nahmen, so sagt der Friedhofs-Chef, im Corona-Jahr das Angebot an, die Urne so lange zu lagern, bis eine Trauerfeier im größeren Rahmen möglich wurde. Insgesamt waren auf Mannheims Friedhöfen seit Beginn der Pandemie 297 Personen bestattet worden, die an Corona erkrankt waren.
Besonders auffällig findet Adam den Anstieg der muslimischen Bestattungen im Jahr 2020. Die Zahl hat sich mit 56 mehr als verdoppelt, 2019 waren es noch 25. Adam ist sich sicher, dass es sich in diesem Fall tatsächlich um Auswirkungen der Pandemie handelt. „Die Angehörigen konnten schlechter ausreisen und haben deshalb ihre Verwandten hier bestattet, statt sie ins Ausland zu überführen und dort beizusetzen“, vermutet er. Der neue muslimische Waschraum auf dem Hauptfriedhof, der im Herbst 2020 eingeweiht worden war, sei bisher nur mäßig angenommen worden. Bis heute wurde er nur neun Mal genutzt.