Der eine hat den Bau der Moschee am Luisenring maßgeblich auf den Weg gebracht, der andere ist heute im Vorstand des Trägervereins: Osman Ösay und Hizir Oymak sprechen im Interview über Hoffnungen und Erfahrungen türkisch-sunnitischer Muslime in Mannheim.
Die Gesprächspartner
- Osman Özay: 66 Jahre, verheiratet. Gründungsmitglied und Ehrenvorsitzender des Islamischen Bundes e.V.; heute: Türkisch Islamische Gemeinde zu Mannheim e.V, der Trägerverein der Yavus-Sultan-Selim-Moschee am Luisenring. Ebenfalls Gründungsmitglied der Ditib, der Türkisch Islamischen Union der Anstalt für Religion mit Sitz in Köln. Özay lebt in Deutschland und der Türkei.
- Hizir Oymak: 63 Jahre, verheiratet, 2. Vorsitzender der Türkisch Islamische Gemeinde zu Mannheim e.V., Mitglied des Moschee-Vereins seit Gründung. Oymak lebt in Deutschland und der Türkei.
Herr Özay, Herr Oymak, wie kam es überhaupt zum Bau der Moschee in Mannheim?
Osman Özay: Mitte der 1980er Jahre haben wir festgestellt, dass wir hier bleiben und uns in die Gesellschaft integrieren möchten. Als 2. Generation nach den Gastarbeitern, die ja unsere Eltern waren, wollten wir raus aus den Hinterhöfen, ganz vorn dabei sein, teilnehmen am Leben in dieser Gesellschaft.
Hat das geklappt? Keine leichte Angelegenheit, oder?
Özay: Allerdings. Es gab massive Widerstände. Wir haben lange gesucht, um ein Gebäude zu finden. Und erst mal keinen Erfolg gehabt. Zunächst hat uns die Stadt nicht gerade unterstützt. Damals bin ich ins Rathaus gefahren und habe zum Oberbürgermeister gesagt, wenn ihr uns nicht helft, gibt es jeden Freitag Proteste. Damals hatten wir schon 2000 Mitglieder und Anhänger; die haben Druck gemacht und auch schon Geld für das Projekt gespendet. Mit Hilfe der Stadt haben wir schließlich das Grundstück im Jungbusch für 731 000 Mark gefunden und gekauft.
Welche Ziele und Hoffnungen gab es damals 1995?
Özay: Wir wollten unbedingt in der Gesellschaft ankommen, hatten große Pläne – wie staatlich-islamischen Religionsunterricht oder die Imam-Ausbildung in Deutschland. Dafür haben wir uns massiv eingesetzt, extra ein Institut gegründet. Aber die Behörden, deutsche wie türkische, haben uns nicht unterstützt. Das war bitter.
Woran lag es?
Özay: Es gab damals von beiden Seiten kein Interesse, so dass die Projekte, zum Beispiel die offene Moschee, zwar gut besucht wurden, aber nicht die Annäherung gebracht haben, die wir uns wünschten. In der Folge hat sich nichts wirklich richtig weiterentwickelt. Wir wollten uns integrieren, aber es wurde nicht gestattet.
Gehört also der Islam nicht zu Deutschland?
Özay: Natürlich gehört der Islam zu diesem Land. Wir sind ja da. Es würde unser Leben erleichtern, wenn das endlich toleriert würde und Ängste nicht mehr vorhanden wären.
Was müsste passieren, was wünschen Sie sich für die Muslime in der Stadt?
Hizir Oymak: Dass wir gemeinsam etwas entwickeln und bewegen. In den Schulen Religionsunterricht einführen, die Imame hier aus- und weiterbilden. An der Uni zum Beispiel. Und vor allem, ganz wichtig: Der Islam muss als Religionsgemeinschaft staatlich anerkannt werden.
Aber dafür müsste man die unterschiedlichen Richtungen unter einen Hut bringen, oder?
Oymak: Ach, das wird seit Jahren ins Feld geführt, und so geht einfach nichts weiter. 90 Prozent der Muslime in Deutschland sind doch Sunniten. Wir möchten, dass dies einmal registriert wird. Stattdessen werden wir immer noch wie Menschen zweiter Klasse behandelt. Wie lange müssen wir das noch ertragen? Falls sich da nichts ändert, suchen vor allem die Jungen anderswo Anerkennung. Es gibt keine Antworten, warum das nicht geht. Eigentlich eine Schande.
Der Dachverband der Moschee, Ditib, ist da nicht gerade hilfreich. Es gab Vorwürfe der Spionage für die Türkei.
Özay: Das stimmt doch nicht. Es gibt diesen Einfluss nicht. Die deutschen Behörden haben doch damals einen solchen Dachverband verlangt. Er sollte ein Mittler sein. Außerdem: Warum sollten wir nicht mit der Türkei zusammenarbeiten? Die Türkei ist auch unser Zuhause, wir sind mit dem Land verbunden – auch wenn unsere Kinder und Enkel hier leben. Gegenseitige Vorwürfe bringen uns doch nicht weiter. Wir sollten die Dinge gemeinsam gestalten, mehr voneinander lernen und eine deutsch-islamische Gesellschaft entwickeln, die gerne hier lebt.
Zurzeit sehen sich die Muslime aber Angriffen ausgesetzt?
Oymak: Ja, das ist schlimm. Ereignisse wie die in Hanau machen uns fassungslos. Die Politiker müssen einfach mehr gegen Rassismus und Hetze tun. Die Bedrohungslage ist groß. Vom Feindbild Islam profitiert nur die AfD. Es müssen schon Menschen sterben, bevor die Politiker mal zu uns kommen.
Aber nicht in Mannheim?
Oymak: Stimmt. Polizei und Stadt kümmern sich um uns, sind vor Ort. Das tut gut. Wir werden jetzt gut behandelt. Dafür sind wir sehr dankbar.
War es also damals die richtige Entscheidung, hier eine repräsentative Gebetsstätte zu bauen?
Özay: Auf jeden Fall. Wir bereuen das nicht. Im Gegenteil: Wir sind stolz. Die Moschee gehört zu Mannheim, Sie ist eine Sehenswürdigkeit und ein Vorzeigeobjekt für die Stadt. Sie dient also auch der christlichen Gemeinschaft. Und unseren Kindern vermittelt sie Selbstvertrauen.
Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Vertrauen fehlt