„Ruhestand“

Wie aktive Rentnerinnen die Mannheimer Gesellschaft stützen

Wenn andere längst die Füße hochlegen, gehen sie noch arbeiten: Zwei Mannheimer Pflegerinnen erzählen, warum sie nach dem Renteneintritt weitermachen.

Von 
Lea Seethaler
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Stütze im Alltag: Rund eine Million Pflegekräfte arbeiteten nach Angaben des Statistischen Bundesamts in Heimen und ambulanten Diensten – fast zwei Drittel in Teilzeit. © Sina Schuldt/dpa/dpa-tmn

Mannheim. „Ich habe schon immer gern gearbeitet – mein Beruf hat mir immer viel Freude gemacht“, sagt Doris Rapke-Krämer. Sie ist Pflegerin. Und obwohl sie schon Rente bezieht, geht sie ihrem Beruf weiter nach. Ihr Arbeitgeber, eine Sozialstation, hat ihr ermöglicht, im Minijob tätig zu bleiben. „Das ist ein Geschenk, dass der Arbeitgeber auch das schätzt.“ Für sie bedeute das nicht nur Wertschätzung von diesem, sondern auch von den Menschen, die sie seit Jahrzehnten betreut. „Von den Patienten kommt sehr viel Vertrauen zurück. Wenn ich komme, freuen sie sich, man kennt sich einfach.“

Flexible Rentnerinnen aus Mannheim helfen im Job

Trotz körperlicher Anforderungen empfindet sie ihre Arbeit nicht als Belastung, sondern als Bereicherung. „Ich bin dankbar, dass es mir körperlich möglich ist“, sagt sie. An Wochenenden arbeitet sie oft im Spätdienst, springt aber etwa auch regelmäßig ein, wenn Kolleginnen ausfallen. Dass es in der Pflege an Personal mangelt, spürt sie täglich. Sie hilft aus, wenn Not am Mann ist – zum Beispiel mal nach dem Wochenende. „Wenn jemand erkrankt war, habe ich gesagt: Dann mache ich den Montag auch noch, es hat einfach gepasst, ich bin ja flexibler.“

Doris Rapke-Krämer: Die aktive Rentnerin aus Mannheim ist mit Herz und Leidenschaft bei ihrem Job in der Sozialstation dabei. © Privat

Von Müdigkeit ist da keine Spur, das merkt man auch, wenn man mit Rapke-Krämer spricht. Ganz im Gegenteil: „Rente heißt für mich nicht Stillstand, sondern Freiheit“, sagt sie. „Natürlich freue ich mich, dass ich noch etwas verdiene“, meint die Mannheimerin, „aber die Leidenschaft für die Arbeit ist das Entscheidende.“

Auch im Kollegenkreis ist ihre Erfahrung gefragt. „Natürlich gebe ich mein Wissen weiter, wenn mir etwas auffällt“, erzählt sie. „Es ist wichtig, dass Erfahrungswissen nicht verloren geht. Ich habe das früher ja selbst von älteren Kolleginnen gelernt.“

Wissen vermitteln als langjährige Mitarbeiterinnen in der Sozialstation in Mannheim

Nachdenklich wird sie allerdings, wenn es um die heutigen Ausbildungsbedingungen geht. „Ich glaube, die Qualität hat nachgelassen. Wissen wird nicht mehr so tief vermittelt, vieles geht zu schnell“, sagt sie. „Man muss heute in der Pflege überall ein bisschen was können, aber nichts mehr richtig. Die Spezialisierung fehlt.“ Mehr als 50 Jahre lang ist sie nun im Job, erzählt Rapke-Krämer: „Ich habe viele harte Zeiten erlebt in dieser Branche. Aber ich möchte neugierig bleiben, aufmerksam und interessiert. Das ist mein Weg, am Puls der Zeit zu bleiben.“

Auch Martina Bolleyer arbeitet mit 69 Jahren noch immer bei der Sozialstation. „Es macht mir Spaß, mit den Menschen umzugehen“, sagt auch sie. „Sie freuen sich, wenn sie mich sehen, und ich freue mich, wenn ich sie sehe.“ Konstante soziale Kontakte, betont sie, seien wichtig für die Genesung für die Genesung der Patienten. Dennoch müsse auch sie haushalten mit ihren Kräften. „Ich habe noch andere Hobbys – Radfahren, Wandern, Skifahren. Ich möchte mich nicht verschleißen lassen.“

Martina Bolleyer hat die Balance für die Arbeit auf der Sozialstation während ihrer Rente gefunden: Heute leitet sie auch jüngere Fachkräfte an. © Privat

Auch springe gern flexibel ein und gibt ihr Wissen weiter. „Wenn mal eine junge Kollegin da ist, kann ich Tipps geben. Wir freuen uns, wenn wir etwa eine Behandlung anders empfehlen, und es aufgenommen wird.“ Und Bolleyer sagt: „Und mal ganz ehrlich: Wer in meinem Alter nicht mehr arbeiten muss, das sind meist Ärzte, Banker oder Unternehmer.“ Die Pflege dagegen, betont sie, sei körperlich anstrengend, oft schlecht bezahlt und werde gesellschaftlich selten ausreichend gewürdigt. „Es ist getakteter geworden“, sagt ebenso Bolleyer. Und: In der gesamten Branche merke man, dass viele den „den Beruf nicht mehr als Berufung betrachten.“

Finanzielles Plus durch arbeiten nach der Rente in Mannheim

Finanziell ist sie nicht auf die Arbeit angewiesen – ganz verzichten möchte sie aber nicht, sagt die Mannheimerin. Geschenke für die Enkel, Reisen, kleine Dinge; so etwas geht dann eben öfter mit ein paar Euro mehr. Die Debatte um die sogenannte Aktivrente verfolgt Bolleyer aufmerksam. Ab dem 1. Januar 2026 sollen Menschen, die die gesetzliche Regelaltersgrenze erreicht haben und freiwillig weiterhin einer nichtselbstständigen Beschäftigung nachgehen, einen monatlichen Hinzuverdienst von bis zu 2.000 Euro brutto steuerfrei beziehen dürfen.

Bolleyer sagt aber über ihre aktuelle Situation: „Für die 2.000 Euro müsste ich mehr als drei Tage arbeiten. Mir reichen diese drei völlig. Das ist genau das Maß, das zu meinem Leben passt.“

Deutliche Kritik übt sie an der Rentensituation in Deutschland: „Die Bezahlung war schon vor der Rente schlecht, und die Renten sind im schlechten Mittelfeld“, sagt sie. „Das ist die Ironie – vor fünf Jahren wurde in der Pandemie groß geklatscht, und jetzt ist alles vergessen.“

Hilfreiche Links zum Thema Weiterarbeiten nach der Rente:

Redaktion Redakteurin und Online-Koordinatorin der Mannheimer Lokalredaktion

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