Sandhofen - In Mannheim formiert sich weiterer Widerstand gegen die Windkraft-Pläne der MVV.

Weiterer Widerstand gegen Windkraft-Pläne in Mannheim

Von 
Martin Geiger
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In Mannheim gibt es weiterhin Widerstand gegen die Windkraft-Pläne. (Symbolbild) © Holger Hollemann/dpa

Mannheim. Die MVV prüft, auf der Friesenheimer Insel und nördlich der A 6 bis zu acht Windkraft-Anlagen zu bauen - dagegen formiert sich nicht nur in Sandhofen Widerstand. Ein Überblick.

Was plant die MVV auf der Friesenheimer Insel?

„Auf die Friesenheimer Insel legen wir momentan unser Hauptaugenmerk“, sagt Thorsten Schneider, Projektleiter für das Windgeschäft bei der MVV-Tochtergesellschaft Umwelt. Den aktuellen Plänen zufolge gibt es dort zwei Flächen, auf denen Windräder gebaut werden dürften. Auf diesen würde das Unternehmen gerne insgesamt zwei bis drei Windräder installieren. „Technisch ist das grundsätzlich machbar“, sagt Schneider. Allerdings sei die Prüfung noch nicht abgeschlossen. So müssten etwa noch Auswirkungen auf die Schifffahrtsstraße untersucht werden.

Was plant die MVV in Sandhofen?

Von den dort theoretisch möglichen Flächen konzentriert sich die MVV, entsprechend den Wünschen der Stadt, auf die westlich der B 44. Schneider zufolge sehen die Annahmen des Unternehmens vor, dort vier bis fünf Windräder zu bauen.

Um welche Art von Windrädern geht es dabei?

Die MVV plant mit Anlagen der neuesten Generation: mit einer Nabenhöhe von 160 bis 180 Metern und einem Rotordurchmesser von rund 160. Am höchsten Punkt ragen sie also etwa 250 Meter in den Himmel.

Wie ist der aktuelle Stand der Planungen?

Bei allen hier angesprochenen Projekten befindet sich die MVV eigenen Angaben nach noch im Bereich von Machbarkeitsstudien. Das heißt, es gibt Überlegungen, Gespräche und Untersuchungen - aber noch keine konkreten Beschlüsse. „Noch ist nichts entschieden“, sagt Schneider. Er sagt aber auch: „Noch ist nichts aus der Welt.“ Also auch nicht die Windräder nördlich der A 6 in Sandhofen.

Und wie geht es dann jetzt weiter?

Wenn die Machbarkeitsstudien positiv verlaufen, erfolgt die konkretere Berechnung der Wirtschaftlichkeit. Erst danach wird die MVV eine Entscheidung treffen und somit frühestens in eineinhalb Jahren eine Genehmigung beantragen, sagt Schneider: „Es können noch fünf bis sieben Jahre vergehen, bis das erste Windrad der MVV in Mannheim steht.“

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Wie ist die rechtliche Situation eigentlich?

Kompliziert. Denn die möglichen Standorte für Windkraftanlagen sind nicht nur umstritten - auch planungsrechtlich ist das Ganze eher etwas für Feinschmecker. So kommt es, dass zwar seit mindestens zehn Jahren über das Thema diskutiert und geplant wird. Abgeschlossen ist das Verfahren jedoch noch nicht. Die vereinfachte Zusammenfassung lautet so: Die Kommunen müssen gewisse Gebiete für Windkraftanlagen ausweisen. Tun sie das nicht, dürfen diese theoretisch überall gebaut werden. Tun sie es jedoch, heißt das gleichzeitig, dass überall anders keine Windräder errichtet werden dürfen: Darum machen sie es. Die Federführung dabei hat für das Mannheimer Stadtgebiet der Nachbarschaftsverband Heidelberg-Mannheim.

Warum ist der 2012 eingeleitete Flächennutzungsplan noch nicht fertig?

Das hat viele Gründe. Zum einen ist das Verfahren mit mehreren Schritten, etwa zur Beteiligung der Öffentlichkeit, recht langwierig. Zum anderen haben sich während des Planungsprozesses einige Bestimmungen, beispielsweise beim Vogelschutz, geändert. Und nicht zuletzt liegt es daran, dass der gemeinsame Plan erst dann beschlossen werden kann, wenn für alle 18 Kommunen des Verbands Klarheit herrscht. Schon in Mannheim hat das unter anderem aufgrund der Diskussion über Flächen im Käfertaler Wald - die schließlich ausgeschlossen worden sind - relativ lange gedauert. In Heidelberg dagegen gebe es noch offene Fragen, erklärt Martin Müller, Geschäftsführer des Nachbarschaftsverbands: Weil die dortige Forschungseinrichtung EMBL befürchte, dass durch ein Windrad ihre Messinstrumente beeinflusst würden - und so ein neues Gutachten eingeholt werden müsse. „Wenn alles gut laufen würde, könnte der Flächennutzungsplan vielleicht in zwei Jahren fertig sein“, sagt Müller.

Wie ist die Rechtslage in der Zwischenzeit?

Müller zufolge hat der alte Regionalplan den Bau von Windrädern in Mannheim sowie im baden-württembergischen Teil der Metropolregion verboten. Allerdings hat das Verwaltungsgericht Karlsruhe 2019 rechtliche Mängel des Regionalplans beanstandet - weshalb er seit Anfang diesen Jahres außer Kraft ist. „Das führt dazu, dass Anlagen ab sofort generell zulässig sind“, sagt Müller. Betreiber könnten sich auch schon vor der Fertigstellung des neuen Flächennutzungsplans um eine Genehmigung bemühen - allerdings nur innerhalb der von den Kommunen bereits definierten Flächen. Denn Müllers Einschätzung zufolge entfaltet selbst das vorläufige Plankonzept eine gewisse Steuerungswirkung.

Welche Abstände gelten beim Bau von Windrädern?

Nachdem in der Bundespolitik lange über diese Frage gestritten wurde, hat die Große Koalition die Entscheidung mehr oder weniger den Ländern überlassen. In Baden-Württemberg gilt nach Angaben eines Sprechers des Umweltministeriums ein „Orientierungswert“ von 700 Metern Abstand zu Siedlungsgebieten: „Der exakte Wert wird im Rahmen des Genehmigungsverfahrens festgelegt. Das hängt davon ab, was in der Nähe ist.“ Der Nachbarschaftsverband will jedoch einen Mindestabstand von 1000 Metern zu Wohnsiedlungen gewährleisten - und dies im Flächennutzungsplan berücksichtigen, sagt Müller. Zu einzelnen Höfen müsse mindestens 600 Meter Abstand eingehalten werden. Bezüglich Schrebergärten gebe es keine Regelung.

Was sagen die Windkraftgegner?

Die Bürgerinitiative „Energiewende mit Vernunft“ rund um Andreas Kostarellos will unter anderem den Bau von Windrädern auf der Friesenheimer Insel verhindern. Darum hat sie bereits zwei Informationsveranstaltungen organisiert, zu denen Kostarellos zufolge insgesamt rund 100 Besucher gekommen sind.

Wie begründen sie ihren Protest?

Die Bürgerinitiative betont vor allem den Erholungswert der vielen Kleingärten auf der Friesenheimer Insel. Dieser werde durch die Geräusche und den Schattenschlag von Windrädern gestört. Aber auch der Infraschall, also der nicht hörbare Schall, bereitet ihr Sorgen, da er sich negativ auf die Gesundheit auswirken könne. Darum sollen die Messungen detailliert erfolgen, fordert Kostarellos in einer Landtagspetition, die seinen Angaben nach bereits 500 Personen unterschrieben haben.

Was denkt die Bürgervereinigung Sandhofen?

„Wir sind keine Windkraftgegner“, betont ihr Vorsitzender Jürgen Wolf. „Wir würden uns und der Bürgerschaft aber eine Zumutung antun, wenn da so große Dinger aufgestellt werden würden.“ Darum sei die Vereinigung gegen Windräder auf der Friesenheimer Insel und nördlich der A 6. Eine Stadt wie Mannheim könne mit anderen Mitteln ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten.

Wie geht die MVV mit dem Protest um?

„Wir nehmen Belange ernst“, sagt Sprecher Sebastian Ackermann, „und werden sie auf ihre Relevanz hin überprüfen.“

Was hat es mit der Agro-Photovoltaik auf sich?

Dabei werden Solarzellen so aufgestellt, dass dazwischen eine landwirtschaftliche Nutzung möglich ist. Nach Angaben der Stadt prüfen sie und die MVV das für (nicht näher definierte) Flächen im Mannheimer Norden, auf der Friesenheimer Insel und an Autobahnböschungen. Entschieden sei noch nichts.

Redaktion Reporter für die Ressorts "Wirtschaft" und "Mannheim".