Mannheim. Auch zwei Jahre nach Beginn der Pandemie wirkt sich Corona noch stark auf die Arbeit des Mannheimer Studierendenwerks aus: Besonders die gastronomischen Betriebe - Mensen und Cafeterien aller fünf Mannheimer Hochschulstandorte - müssen drastische Umsatzeinbußen verkraften: Im Vergleich zu 2019 gingen die Erlöse um fast 340 Prozent zurück. „Corona trifft uns hier wirtschaftlich enorm, da wir eine gemeinnützige Einrichtung sind und uns zu zwei Dritteln aus den Einnahmen von Essen und Miete finanzieren“, so der Geschäftsführer des Studierendenwerks, Peter Pahle.
Das Studierendenwerk ist für 25 000 meist junge Menschen in der Quadratestadt erste Anlaufstelle in allen Fragen der sozialen Betreuung. Doch ob beim Wohnen, Essen, der Finanzierung, Kinderbetreuung oder psychologischen Beratung - die Pandemie hat das Leben und Arbeiten von Studierenden und Mitarbeiterschaft in vielen Bereichen vor neue Herausforderungen gestellt.
Viele internationale Gäste in den Mensen
Viele der Studierenden kommen aus dem Ausland, im Schnitt zehn bis 15 Prozent: „An der Musikhochschule sind es sogar bis zu 50 Prozent“, sagt Pahle. Für viele hatte die Pandemie harte Konsequenzen: „Sie konnten oder durften nicht nach Deutschland kommen. Und wer schon da war, musste teils zurück ins Heimatland“, berichtet Pahle. Die Zahl der Internationalen sei deshalb zunächst stark zurückgegangen: „Erst jetzt, nach fast zwei Jahren, kommen wir fast an das ursprüngliche Niveau heran“, erklärt der Geschäftsführer.
Auch in den 17 Wohnheimanlagen mit rund 3000 Betten mache sich dieser Rückgang finanziell bis heute bemerkbar: „Denn in unseren Häusern beträgt der Anteil internationaler Studierender 40 Prozent“, so Pahle. Und weil die Bewohner fehlten, blieben auch die Mieten aus. Teils war auch Kreativität gefragt: „Es gab Erstsemester, die direkt in Quarantäne mussten. Sie haben von uns ein Fresspaket an die Tür bekommen.“
Studierendenwerk
- Das Mannheimer Studierendenwerk ist für rund 25 000 Studierende zuständig, die sich auf die fünf Hochschulen der Quadratestadt verteilen: die Universität als größte Einrichtung, die Hochschule, die Duale Hochschule, Popakademie und die Staatliche Hochschule für Musik und Darstellende Kunst.
- Laut Studierendenwerksgesetz obliegt den Studierendenwerken im Zusammenwirken mit den Hochschulen die soziale Betreuung und Förderung der Studierenden.
- Wesentliche Aufgaben sind das Errichten und der Betrieb von gastronomischen Einrichtungen sowie Bau, Anmietung, Vermietung und Vermittlung von Wohnraum.
- Das Studierendenwerk übernimmt auch die Durchführung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) als Amt für Ausbildungsförderung sowie das Errichten und den Betrieb von Kindertagesstätten, ebenso die Unterhaltung von Einrichtungen zur Beratung und Gesundheitsförderung (wie Sozialberatung, Psychologische Beratung oder die Unterstützung internationaler Studierender). Das Verhandeln des ÖPNV-Semestertickets und Finanzclearing für den Grundbetrag übernehmen Studierendenwerke ebenfalls.
- Bei all diesen Aufgaben verfolgt das Studierendenwerk gemeinnützige Zwecke.
Nur 1000 statt 3000 Besucher pro Tag
Vor allem die gastronomischen Einrichtungen - das Studierendenwerk betreibt an allen fünf Hochschulstandorten Betriebe - spüren die Einbußen noch immer. „Früher lagen unsere Gästezahlen allein in der Mensaria im Schloss bei 3000 pro Tag, jetzt sind es 1000, wenn es gut läuft 1500“, berichtet Pahle. Während des ersten Lockdowns 2020 habe man wie alle Gastronomen ganz schließen müssen. Dann gab es zwar die Möglichkeit, zu öffnen, jedoch mit deutlich weniger Plätzen. Die ersten beiden Corona-Jahre habe das Werk so zwar „einigermaßen gut“ überstanden, so der Geschäftsführer: „Mit dem Kurzarbeitergeld konnten wir unsere Mitarbeiter halten, haben sogar auf 100 Prozent aufgestockt. Aber wie es mit den Umsatzeinbußen in diesem Jahr weitergeht, wissen wir nicht.“
Auch bei weniger Gästen könne man Personal nicht reduzieren: „Wir brauchen bei 50 Prozent Gästen 100 Prozent Personal, es müssen jetzt Tische zugewiesen und desinfiziert werden, auch Tabletts“, berichtet Ulrich Opatz, Leiter der Hochschulgastronomie in Mannheim. Wo früher Selbstbedienung war, müssten nun Mitarbeiter die Speisen ausgeben. Generell seien durch die Pandemie deutlich mehr Aufgaben hinzugekommen.
Und noch sei gar nicht klar, ob sich die Gästezahlen in den gastronomischen Betrieben wieder auf dem Vor-Pandemie-Niveau einpendeln: „Die Hochschule sagt, dass sie verschiedene Angebote auch nach Corona nur noch online anbieten will. Darauf müssen wir uns einstellen“, erklärt Astrid Brandenburger, Abteilungsleiterin Kommunikation und Studierendenservice.
Doch die Corona-Zwangspause hat das Studierendenwerk nicht untätig verstreichen lassen: Die Psychologische Beratungsstelle PBS bietet alternative Beratungsformen an, beispielsweise online. Zudem gibt es „Fenstersprechstunden“ der Abteilungen Bafög oder Wohnen. Die größten Veränderungen sind in der Mensaria sichtbar, der Kantine im Schloss. Hier ist in den vergangenen Jahren bereits an vielen Stellen umgebaut worden.
Der 2016 zuletzt begonnene Umbau in der Küche im Untergeschoss des Komplexes soll voraussichtlich im Sommer 2022 abgeschlossen sein: Hier wurden der Produktionsbereich komplett erneuert und alle alten Geräte entsorgt, derzeit entsteht eine hauseigene Metzgerei. Auch das Bistro EO im Ostflügel des Schlosses werde zurzeit saniert, dafür steht im Ehrenhof des Schlosses der Mensa Wagon bereit, der Streetfood anbietet.
Essverhalten ändert sich
In der Mensaria eröffnete zum Jahreswechsel „greenes² - mindful campus food“, eine Essensausgabe mit vegetarischen und veganen Speisen aus regionaler Produktion: „Das Essverhalten der Menschen ändert sich, und die Gastronomie muss sich darauf einstellen“, so Brandenburger. Im „greenes²“ stehen beispielsweise Misosuppe mit Räuchertofu oder Bowls mit Gemüse, Reis und veganer Mayonnaise auf dem Speiseplan.
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Der Anteil der Veganer unter den Gästen sei von drei auf sieben Prozent gestiegen, Vegetarier seien inzwischen 40 Prozent der Kunden: „Der Großteil sind Flexitarier, die nicht jeden Tag Fleisch wollen“, sagt Opatz. Auch die vielen internationalen Studenten wirken sich auf das Angebot aus: „Hier gibt es Studierende aus über 100 Ländern, dieser Einfluss fließt auch in die Küche ein.“ Vom klassischen Imbissgedanken mit Bratwurst und Co. habe man sich längst verabschiedet.
Lüftungsanlage erneuert
An vielen Stellen setze man auf Nachhaltigkeit: 2020 war Mannheim als erstes Studierendenwerk in Deutschland klimaneutral - und die Photovoltaikanlage auf dem Mensaria-Dach lange eine der größten in Baden-Württemberg. An schönen Tagen könne sie mehr als die Hälfte des Energiebedarfs dort abdecken.
In der Mensaria biete das Studierendenwerk klimaneutralen Kaffee und keine Pappbecher an, Essensabfälle sollen auf Null reduziert werden: „Wir produzieren Mahlzeiten nach, bereiten nicht alles vor, das dann stehenbleibt. Was auf den Tellern übrig bleibt, kommt in eine Biogasanlage“, berichtet Opatz. Auch bei den Wohnhäusern setzt das Studierendenwerk auf Nachhaltigkeit: So soll der Neubau am Friedrichspark bis Herbst 2023 in Holzhybridweise entstehen, und bei den Bestandshäusern werden nach und nach alle Lampen, Heizungen und Perlatoren erneuert: So habe man in den vergangenen drei Jahren 400 000 Euro eingespart. „Ziel ist, in den nächsten fünf Jahren das produzierte CO² zu halbieren“, so Pahle.
Von der Pandemie will sich das Studierendenwerk jedenfalls nicht unterkriegen lassen: „Uns ist wichtig, dass sich die jungen Menschen wohlfühlen. So können wir sie mit ihrem Wissen auch hier in Mannheim halten, wenn sie mit dem Studium fertig sind“, hofft Pahle.