Architektur - Neue Eigentümer modernisieren für 50 Millionen Euro Gebäudekomplex an der Autobahn / Sparkassenversicherung zieht im Februar 2021 aus

Striffler-Bau steht vor Umgestaltung

Von 
Anke Philipp
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© Jean-Luc Valentin

Ausgezeichnet und mit Architekturpreisen dekoriert: Lange galt das markante ÖVA-Haus am östlichen Stadtausgang als eines der innovativsten Bürobauten überhaupt. Entworfen Mitte der 1970er Jahre vom 2015 gestorbenen Mannheimer Architekten Helmut Striffler setzte das Verwaltungsgebäude mit dem Fassadennetzwerk aus Stahl und Glas Maßstäbe im Inneren wie im Äußeren. Nun soll das Haus, heute Koros genannt, behutsam energetisch modernisiert werden – ganz im Geiste seines genialen Schöpfers.

Die ÖVA/SV Versicherung und das Striffler-Haus

  • Die ÖVA – die Öffentliche Versicherungsanstalt der Badischen Sparkassen – begann mit dem Betrieb im Juli 1924 in Baden. Bis 1929 war sie in B 2 untergebracht.
  • Von 1929 bis 1957 beherbergte der Badische Sparkassen- und Giroverband in der Augustaanlage 33 die ÖVA. 1957 bezog die Versicherung ein eigenes Verwaltungsgebäude in P 7.
  • Im November 1973 fand die Ausschreibung des Wettbewerbs für den ÖVA-Neubau statt. Das Preisgericht tagte am 15. März 1974, den ersten Preis gewann der Mannheimer Architekt, Professor Helmut Striffler.
  • Am 18. August 1977 bezog die ÖVA ihr neues Bürogebäude an der Gottlieb-Daimler-Straße 2 am Ende der Autobahn Heidelberg-Mannheim. Offizielle Einweihung war am 25. Oktober 1977. Eröffnung des zweiten Bauabschnitts: 14. Juni 1994.
  • Die Öffentliche Versicherungsanstalt der Sparkassen ging 2000 in der SV-Versicherung auf, die 2021 in das „Quartier hoch vier“ im Glücksteinquartier zieht – der neue Mannheimer Firmensitz der Versicherung und der 570 Mitarbeiter.
  • Heutige Eigentümer des ÖVA-Hauses, heute Koros genannt: ASG AcquiCo XXVI B.V, 1097JB Amsterdam, Niederlande

Ins 21. Jahrhundert überführen

Sozusagen Helmut Striffler 3.0, sagen Axel Kochsiek und Rainer Schlereth vom Frankfurter Immobilien-Kümmerer Activum SG Advisory. Die Gesellschaft arbeitet für die neuen Eigentümer aus Amsterdam (ASG AcquiCo XXVI B.V.), einen Finanzinvestor, der das denkmalgeschützte Gebäude 2019 erworben hat. Nach dem Auszug der Sparkassenversicherung im Februar 2021 soll eine neue Arbeitswelt (New Work) für 15 Neumieter entstehen, Architekt Jörg Metzmeier (Baden-Baden) knüpft dabei an das innovative Raumkonzept von damals an – eine 50-Millionen-Euro-Investition. „Im Ergebnis wollen wir Striffler ins 21. Jahrhundert überführen“, versprechen Kochsiek und Schlereth.

Rückblende in die Zeit der beginnenden Bildschirmarbeitsplätze und der ersten Widerstände gegen Großraumbüros: Die ÖVA-Oberen forderten damals ein neues Denken der Arbeitswelt. Konkret hieß das: kein Haus von der Stange, kein reines Großraumbüro, aber auch keine Aneinanderreihung von kleinen Räumen. Helmut Striffler betrat mit seinem Entwurf Neuland und setzte sich im Wettbewerb mit der Idee der flexibel raumbildenden Gruppe des Teams gegen fünf weitere Mitbewerber durch. Die Qualität der Arbeit beruhe auf richtiger und gründlicher Arbeitsplatz-Überlegungen, lobte die Jury. Bei der Einweihung 1977 schwärmte ÖVA-Vorsitzender Wolfgang Klüpfel gar vom „Palast humaner Arbeitsplätze“. Striffler, der Vertreter einer ehrlichen Moderne, hatte aus der Aufgabe die Gestalt entwickelt und sorgfältig an architektonischen Details gefeilt. Baukunst bedeutete ihm stets „eine dienende Kunst zum Nutzen des Menschen“.

Großmieter gesucht

„Statt Büroplatte hohe Handwerkskunst“, urteilen die heutigen Besitzer. Nach dem Einzug 1977 expandierte die ÖVA schnell, die Zahl der Mitarbeiter wuchs rasant, so dass in den 1990er Jahren ein zweiter Bauabschnitt von Striffler realisiert wurde. „Nun wäre es schön, wenn die neuen Besitzer die einzigartige Struktur erhalten würden“, sagt Helmut Strifflers Sohn Johannes, selber Architekt. Fassade, Halle und die Rote-Sandstein-Verkleidung gehören für ihn unbedingt dazu.

Axel Kochsiek und Rainer Schlereth respektieren das. Sie wissen um die Qualität der Architektur, wollen ein „Produkt schaffen für die Zukunft, das nachhaltig bleibt“ und die Patina des Altbaus integrieren. Deshalb werde ganz vieles erhalten bleiben, überwiegend die Technik aufgerüstet, berichten sie bei einem Gespräch in der Redaktion. Strifflers Ansatz einer offenen, flexibel gestaltbaren Raumstruktur werde fortgeführt und ausgebaut – mit Kommunikationsbereichen, Rückzugsräumen und lichtdurchfluteten Aufenthaltsmöglichkeiten. Ganz im Sinne einer neuen Bürowelt, in der Leben und Arbeiten ineinander übergehen können. Im Erdgeschoß ist eine Gastronomie vorgesehen.

Insgesamt verfügt das Koros über eine Mietfläche von 21 000 Quadratmetern auf fünf Geschossen. 286 Pkw-Stellplätze und 145 überdachte Fahrradstellplätze stehen zur Verfügung. Derzeit startet die Vermarktung, willkommen sind vor allem Großmieter ab 50 Mitarbeitern. Im Frühjahr 2021 soll mit dem Rück- und Ausbau begonnen werden. Einziger Wermutstropfen: Ein „Helmut Striffler Haus“, wie es sich Johannes Striffler im Gedenken an seinen berühmten Vater gewünscht hätte, wird es wohl nicht geben.

Redaktion Mitglied der Lokalredation, seit 1991 zuständig für den Bereich Mannheim-Mitte mit den Stadtteilen Innenstadt, Jungbusch, Neckarstadt-West und-Ost, Schwetzingerstadt, Oststadt, Neuostheim und Neuhermsheim.