Geistliches Wort

Sonntag: Ein Tag zum Feiern

Von 
Erwin Bertsch, Pfarrer in Brühl
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Schauen Sie bitte einmal in den Kalender: Der freie Tag – rot markiert – steht nicht mehr am Anfang der Woche, er ist ans Ende abgeschoben. Unbemerkt ist aus dem Sonntag, dem ersten Tag der Woche, das Wochenende geworden. So reden wir auch. Wir sagen in der Regel nicht mehr: „Ich wünsche dir einen guten Sonntag.“ Wir sprechen von einem „schönen Wochenende“.

Sie meinen vielleicht, dass das doch ganz egal ist, ob Sonntag oder Wochenende – Hauptsache, man hat einen freien Tag. Doch der Unterschied ist größer, als mancher meint. Sonntag bedeutet: Die Woche beginnt mit dem freien Tag, mit dem Feiern. Ich beginne nicht mit der Arbeit, ich kann mir das Leben nicht erarbeiten. Längst bevor ich etwas tue, lebe ich schon. Das Wichtigste im Leben kann ich gar nicht selbst machen oder verdienen, es ist mir geschenkt. Grund genug, diesen Tag zu feiern. Grund genug zu danken. Wer den Sonntag feiert, der sagt: „Bei mir steht der Dank für das Unverdiente und Unbezahlbare im Leben an erster Stelle. Damit soll die Woche beginnen. Das ist das Vorzeichen vor meinem Leben.“

Wochenende Teil des Systems

Anders das Wochenende. Da bin ich am Ende. Ich ruhe mich aus und erhole mich. Ich sammle neue Kräfte, um fit zu bleiben, betriebsfähig und arbeitsfreudig. Ich entspanne mich, um die alltäglichen Spannungen aushalten zu können. Gut – doch ist das alles? Hat der freie Tag lediglich eine Entspannungsfunktion? Die hat er natürlich. Aber wenn er nicht mehr ist, dann stünde der freie Tag ja im Dienst der Arbeit, er wäre in den Arbeitsprozess eingespannt: Um leistungsfähig zu bleiben, muss ich mich erholen – ich lebe, um zu arbeiten. Und schließlich dreht sich alles um Arbeit und Leistung. Die Arbeit in Ehren – wir begehen ja am 1. Mai den Tag der Arbeit – und nichts gegen gute Leistungen. Aber sind sie das beherrschende Ziel meines Lebens? Das kann doch nicht wahr sein.

Wir können heute vieles leisten und erarbeiten. Alles können wir nicht machen. Den Sinn des Lebens können wir nicht selbst machen. Wir brauchen es auch gar nicht. Unser Leben hat seinen Sinn erhalten, bevor wir etwas leisten konnten, und es ist auch dann noch sinnvoll, wenn wir nichts mehr leisten können. Unsere Welt und wir selbst sind bejaht, angenommen von Gott. Darin liegt der Sinn begründet. Genau das hält der Sonntag in Erinnerung. Er sagt uns: An erster Stelle steht nicht die Arbeit, sondern die Feier.

Was Leben bedeutet

Der Sonntag ist nicht ein Rad im Leistungssystem. Er stellt dieses System infrage, er sprengt es. Er weist uns hin auf die Freiheit von allen Zwängen, die Ziel der Erlösung ist und Grund unseres gottesdienstlichen und weltlichen Feierns. Darum ist der Sonntag nicht irgendein freier Tag, den man nach Belieben in der Woche herumschieben kann. Er steht am Anfang, vor allen anderen Tagen. Wir haben ihn nicht erfunden, wie das Wochenende, er ist uns mit Christus geschenkt.

In der Christenheit hat sich im Laufe der Jahrhunderte vieles geändert. Eins ist von Anfang an geblieben: die Feier des Sonntags als erster Tag der Woche. Mit dem Wochenende sind wir bald am Ende, davon können wir nicht leben. Der Sonntag ist das Gebot der Stunde. Er sagt uns, was leben heißt. Die beiden vor uns liegenden Tage zeigen uns sinnfällig: Tag der Arbeit (Wochenende) – Sonntag (Erster Tag der Woche).

Erwin Bertsch, Pfarrer in Brühl

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