Mannheim. Nach der Protestaktion des Aktionsbündnisses „Ende Gelände“ am Samstag im Grosskraftwerk (GKM) (wir berichteten) stellen sich Fragen – zum Beispiel, warum die Aktivisten unbehelligt von der Polizei wieder abziehen durften. Oder ob ihre Forderung, das GKM aus Klimaschutzgründen sofort abzuschalten, überhaupt umsetzbar ist. Wir haben die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengestellt.
Zahlen und Fakten zum GKM
- Das GKM ist eines von etwa 100 Großkraftwerken in Deutschland (stand 2016). Es besteht aus vier Steinkohleblöcken, die 1983, 1993, 2005 und 2015 ans Netz gingen. Fünf ältere Blöcke wurden zwischen 1993 und 2005 stillgelegt.
- Die Anteilseigner des GKM sind die Energieversorger RWE (40 Prozent), EnBW (32 Prozent und MVV Energie AG (28 Prozent).
- Das GKM beschäftigt derzeit 573 Mitarbeiter, langfristig soll die Belegschaft auf 500 Beschäftigte verkleinert werden.
- Unklar ist, ob Teile des GKM künftig zu gasbetriebenen Anlagen umgerüstet werden können.
- Das Grosskraftwerk stößt jährlich zwischen sieben und acht Millionen Tonnen Kohlendioxid und um die drei Millionen Tonnen Stickoxide aus.
- Obwohl das GKM weltweit zu den modernsten Anlagen zählt, ist es in Deutschland dennoch eine der großen Kohlendioxid-Quellen.
Warum wurden von den Blockierern nicht zumindest die Personalien festgehalten?
Auf diese Frage antwortet ein Sprecher des Polizeipräsidiums sehr zurückhaltend: „Im Zuge der Gefahrenabwehr, insbesondere zur Verhinderung von Eskalationen und zur Vermeidung von Körper- und Sachschäden, wurde im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten (seitens des Kraftwerksbetreibers wurde kein Strafantrag gestellt und es war auch kein Schaden entstanden) von weiteren polizeilichen Maßnahmen abgesehen.“ Die Staatsanwaltschaft Mannheim sei aber informiert worden. Die Ereignisse vom Samstag würden derzeit „unter allen rechtlichen Gesichtspunkten geprüft.“
Wären auch im Nachhinein noch Strafanzeigen gegen Aktivisten denkbar?
Ja. Bei einer ähnlichen Aktion von „Robin Wood“ vor Baubeginn des Blocks 9 (am 14. Oktober 2008 kletterten Aktivisten auf einen Kohle-Verladekran) wurde anschließend vom GKM juristisch gegen vier Kletterer vorgegangen – allerdings ohne Erfolg für die Kraftwerksbetreiber. Am Werksgelände waren zu große Sicherheitslücken, das Amtsgericht Mannheim wies die Strafbefehle der Staatsanwaltschaft über jeweils 450 Euro deshalb ab und sprach die Aktivisten frei.
Wie konnten die „Ende-Gelände“-Aktivisten überhaupt auf das Kraftwerksgelände gelangen?
Das Firmengelände erstreckt sich auf über drei Kilometern am Rheinufer zwischen Schindkaut und Rheinauhafen. Man habe deshalb nur Vermutungen, aber keine genaue Kenntnis, wie die 50 Protestierer vorgegangen sind, lässt GKM-Sprecher Thomas Schmidt wissen. Obwohl das Areal mit einem etwa drei Meter hohen Zaun gesichert ist, gibt es offenbar Lücken. Schmidt: „Selbstverständlich nehmen wir die Vorfälle zum Anlass, unser Sicherheitskonzept zu überprüfen.“
Der Kohle-Ausstieg soll langfristig kommen. Warum will „Ende Gelände“ den Ausstieg sofort?
Um das globale Klimaziel, die Erderwärmung nicht über 1,5 Grad ansteigen zu lassen, noch einhalten zu können, müsse sofort mit drastischen Einschnitten gehandelt werden, erklärte „Ende Gelände“-Sprecher Philipp Bergmann während der Protestaktion am Samstag: „Wir können nicht bis 2038 warten“. Zu diesem Datum soll der Kohleausstieg in Deutschland vollzogen werden. Der GKM-Block 9 war bei Baubeginn allerdings für eine Laufzeit bis 2055 ausgelegt worden.

Und warum schaltet man das Kraftwerk nicht sofort ab?
Betrachtet man nur die Stromversorgung, wäre eine Abschaltung aus physikalischen Gründen (Netzstabilität) ohne alternative Energiequellen wohl nicht sofort möglich. Das GKM produziert Elektrizität für etwa 2,5 Millionen Menschen und ist ein Hauptlieferant für Bahnstrom. Die Bundesnetzagentur müsste zudem erst prüfen, ob die vier Kraftwerksblöcke systemrelevant für die Energieversorgung in Deutschland sind. Der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) stuft das GKM als „unverzichtbar“ ein.
Gibt es für die Fernwärme auch andere Quellen als das GKM?
Das Grosskraftwerk stellt nach eigenen Angaben über ein rund 800 Kilometer langes Leitungsnetz der MVV in Mannheim sowie Teilen von Heidelberg, Speyer und Schwetzingen Fernwärme (Heizung, Warmwasser) für etwa 120 000 Haushalte zur Verfügung. Ab 2020 wird Fernwärme auch vom Müllheizkraftwerk auf der Friesenheimer Insel eingespeist. Dies kann etwa ein Drittel des Fernwärme-Jahresverbrauchs decken.