War es Mord? Das Blut, die Platzwunde, die Leichenflecken, der gewalttätige und alkoholisierte Ehemann, die Medikamentenschachteln – Alexander Hartung lässt das Publikum ermitteln. Bei seiner ersten großen Lesung in seiner Heimatstadt gibt es nicht einfach nur Passagen aus seinem neuen Roman, sondern der Käfertaler Krimiautor zeigt, auf welche feinen Details Kommissare achten müssen und lädt die Zuhörer zum Mitmachen und Mitdenken ein.
„Ein Millionenautor aus Mannheim“, freut sich Helen Heberer, als sie Hartung begrüßt. Die von ihr und Raimund Gründler geleitete Initiative „LeseZeichen“ hat Hartung eingeladen – zunächst in die Alte Sternwarte, welche die Gruppe immer mehr als Literaturturm etablieren will. Aber in Corona-Zeiten wäre es dort zu eng, und daher wich sie in das Eintanzhaus in der Trinitatiskirche aus. Da sitzen jetzt – mit Abstand – viel mehr Leute, als der Vortragssaal der Sternwarte je gefasst hätte.
Schließlich ist Hartung wirklich das, was Heberer in der Begrüßung sagt: „Millionenautor“. Eine Auflage von 1,5 Millionen Exemplaren haben seine bisher zehn Bücher – ein Historienroman und zehn Krimis – gedruckt bei Amazon oder als E-Book erzielt. Er eroberte auch bereits die Kindle-Bestsellerliste. Bis auf eine kleine Lesung in den Reiss-Engelhorn-Museen vor drei Jahren war „das Mannheimer Gewächs, auf das wir stolz sein können“, so Heberer, in der Heimat indes lange eher unbeachtet geblieben.
Kreativität neben SAP-Job
„Ich bin ein lausiger Vorleser“, entschuldigt sich Hartung. Daher ist Oliver Schmitz mitgekommen, die Stimme seiner Hörbücher. Er trägt nun aus dem im April erschienenen Thriller „Von zerfallenen Träumen“ vor, wie in einer leerstehenden Wohnung eine Frauenleiche gefunden wird. Die Kriminalpolizei findet kaum verwertbare Spuren, entdeckt aber auf den Bildern der Überwachungskamera des Hochhauses einen ehemaligen Kollegen: Nik Pohl, früher Kripo-Beamter und nun Privatermittler. Hat er etwas mit dem Mord zu tun? Ist er in eine Falle gelockt worden? Sieht so aus. . .
Aufgeklärt wird das an dem Abend nicht – die Spannung soll ja für die heimische Lektüre erhalten bleiben. Man spürt nur schnell, dass der Autor Liebe zu kleinsten Details hat, Spannung aufzubauen und feinste Ironie einzustreuen versteht.
An dem Abend macht Hartung aber im zweiten Teil das Experiment, dass er seine Zuhörer mit ein paar Fakten aus realen Ermittlungsakten eines Leichenfunds konfrontiert und überlegen lässt, ob es sich um Mord oder eine natürliche Todesursache handelt. „Beim Krimimarathon in Berlin kamen drei von 100 Zuhörern auf die richtige Lösung, bei der Frankfurter Buchmesse zehn von 100“, stachelt er die Mannheimer an. Und tatsächlich sind die Mannheimer besser, meldet sich kaum jemand mit der falschen Lösung – die aber hier auch nicht verraten werden soll, damit bei künftigen Gästen die Spannung bleibt.
„Super schön“ findet es Hartung, vor heimischer Kulisse aufzutreten. Schon als Student der Volkswirtschaftslehre begann er mit dem Schreiben. Nach dem Studium ging er zu SAP, doch zusätzlich zum Beruf hat er „eine kreative Herausforderung gesucht“ – und als Krimiautor begonnen. „In Liebesromanen wäre ich super schlecht, weil ich die nicht gerne lese“, so der 50-jährige Vater von zwei Kindern. Krimis habe er dagegen schon immer gerne gelesen. Inspiration bekommt er durch die Realität, „da gibt es genug Fälle, das ist kein Problem, das ist leider so“.
Experimente in Elternzeit
An einem neuen Buch schreibt er meist ein halbes Jahr, der ganze Arbeitsprozess dauere etwa ein Jahr. Wenn es endlich gedruckt werde, sei er sehr erleichtert – denn die mehrfachen Arbeitsdurchgänge mit den Lektoren seien aufwendig. „Nach dem sechsten Durchlesen denkt man: Jetzt ist aber gut“, so Hartung.
Sein nächster Krimi wird am 1. Dezember erscheinen, und derzeit sitzt er bereits wiederum am Nachfolgewerk. Zudem will er literarisch „noch das eine oder andere Experiment machen“, wie er ankündigt – denn bisher war Hartung nur Autor im Nebenjob, nun nimmt er zwei Jahre Elternzeit.