Amtsgericht - Kammer spricht 73-Jährigen vom Vorwurf der schweren Brandstiftung frei

Nach Feuer in Gartenlaube: Angeklagter wird freigesprochen

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Angela Boll
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Der Angeklagte wurde vor dem Amtsgericht freigesprochen. © Blüthner

Mannheim. Er nickt entschieden. Möchte am liebsten direkt nach der Urteilsverkündung zum Richtertisch stürmen, um sich zu bedanken. Doch sein Verteidiger hält ihn zurück, bittet den Mann, sich hinzusetzen und die Begründung der Kammer anzuhören. Fast widerwillig lässt sich 73-Jährige zurück in den Stuhl fallen, nickt und nickt immer wieder, während Richter Michael Eichhorn spricht. Zuspruch für seinen Freispruch. Es ist geschafft: Gleich kann der 73-Jährige als unbescholtener Bürger das Gericht verlassen.

Es hätte auch anders kommen können: Schwere Brandstiftung wirft die Staatsanwaltschaft dem Mann mit der gepflegten Gartenbräune am Morgen vor. Eine Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr sieht die Gesetzgebung dafür vor. Kein Pappenstiel. Auch deshalb kochen die Emotionen an diesem Tag im Gerichtssaal hoch.

Brandsatz im Paprika-Glas

Und darum geht’s: Am 17. Mai 2017 war die Gartenlaube des Angeklagten in Brand gesetzt worden. Der Pächter selbst habe das Feuer gelegt, so schildert Oberstaatsanwalt Andreas Grossmann das Geschehen in der Anklage. Dafür habe der Mann Brandbeschleuniger in ein Einmachglas gefüllt. Um den Verdacht auf seine polnischstämmigen Nachbarn zu lenken, habe der Angeklagte ein Behältnis gewählt, in dem einst polnische Chili-Paprika aufbewahrt worden waren. Dieses habe er angezündet und auf dem Fenstersims seiner Laube abgestellt. Dann sei er weggefahren. Die Versicherung kam für den Schaden in Höhe von knapp 10 000 Euro auf.

45 Jahre sei der Angeklagte Mitglied in dem Kleingartenverein gewesen, habe eben diese Laube schon über 30 Jahre gepachtet, dort häufig übernachtet und einen Großteil seines Lebens dort verbracht, fügt Grossmann noch hinzu.

„Dieser Garten war sein Ein und Alles“, das bestätigt Verteidiger Steffen Lindberg in seiner Erklärung. Deshalb erscheine seinem Mandanten der Vorwurf „geradezu absurd“. Zudem seien viele emotional wertvolle Dinge in dem Gartenhaus gewesen, zum Beispiel die Urkunden aus dem Pudel-Club. Die Laube, der Garten – „das alles war sein Leben.“

Doch, und das zeigt sich während der Verhandlung, die Kleingartenanlage war nicht nur eine grüne Oase der Glückseligkeit. Der 73-Jährige eckte an, zoffte sich insbesondere mit eben diesen Nachbarn, die er laut Staatsanwaltschaft habe belasten wollen. Die wiederum filmten deshalb seit geraumer Zeit alles, was zwischen den Parzellen im Busch war. Auch am Tag des Brandes lief das Handy heiß, ebenso wie die Kamera an Front- und Heckscheibe des Autos. Dokumentiert ist auf den Filmen erst ein Gespräch mit dem Angeklagten, dann etwa fünf Minuten später die Rauchschwaden und dessen Abfahrt mit dem Auto, das Entsetzen der Nachbarn über den Brand, deren Anruf bei der Feuerwehr und deren Entscheidung, nicht beim Löschen helfen zu wollen.

Falscher Schluss?

Ein Ermittler der Polizei erklärt vor Gericht, er und seine Kollegen hätten daraus gefolgert, dass der 73-Jährige losdüste und die Rauchschwaden bewusst ignorierte, eben weil er den Brand gelegt habe. „Doch dieser Schluss ist nach Auffassung des Gerichts falsch“, argumentiert Richter Eichhorn in der Urteilsbegründung.

Oberstaatsanwalt Grossmann formuliert in seinem Plädoyer kaum Zweifel an der Schuld des Angeklagten, kommt aber vom Vorwurf der schweren Brandstiftung ab und fordert am Ende der Beweisaufnahme eine Bewährungsstrafe von einem Jahr wegen eines minderschweren Falls. „Wer soll es denn sonst gewesen sein?“, fragt er schließlich betont lapidar in die Runde. Verteidiger Lindberg erinnert daran, dass der Staat an der Reihe sei, die Schuld zu belegen. „Mein Mandant muss hier nicht seine Unschuld beweisen“ betont er. Der Vorwurf beruhe auf einer Hypothese, die aber „hinten und vorne“ nicht zu einer Verurteilung reiche. Die Frage des Staatsanwalts, wer es denn sonst gewesen sein soll, bleibt auch nach dem Prozess unbeantwortet.

Redaktion Lokalredakteurin, Gerichtsreporterin, Crime-Podcast "Verbrechen im Quadrat"

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