Wissbegierig, lebenslustig und gleichzeitig sanft – oft fallen diese Beschreibungen, wenn andere von Gabriele Z. sprechen. Ein Foto aus ihrer Zeit in Mannheim zeigt die 20-Jährige mit blauen Augen, zurückhaltend lächelnd, umgeben von einem Berg voller Bücher auf dem Tisch in der Bibliothek der Universität Mannheim. Denn dafür war die junge Litauerin, vor genau zehn Jahren, in die Quadratestadt gekommen: Um Neues kennenzulernen, neue Freunde zu finden, ein Semester lang tief in das Studium der Psychologie einzutauchen.
Hilfe in Gabrieles Namen
Zum Gedenken an Gabriele Z. hat die Universität Mannheim 2014 den Gabriele-Zebrovskyte-Hilfsfonds für internationale Studierende eingerichtet. Aus dem Fonds werden ausländische Studierende unterstützt, die unverschuldet in Not geraten.
Seit 2014 wurden über den Fonds 35 000 Euro an 35 Studierende aus 17 Ländern ausbezahlt. Die Schicksale sind laut Uni teilweise sehr tragisch und schambehaftet. In den meisten Fällen handelt es sich um Studierende, deren Finanzierungsquelle – Verwandte aus dem Ausland, da sie in Deutschland oft kein BaföG erhalten oder als Nicht-EUler durch Arbeit keine höheren Beträge erwirtschaften dürfen – kurzfristig durch Naturkatastrophen wie das Erdbeben in der Türkei, Wirtschaftskrisen in Südamerika oder einen Jobverlust der Eltern weggebrochen ist.
Andere Notlagen entstanden etwa durch kurzfristig eingetretene schwere Krankheiten, die eine Ausübung des Nebenjobs verhinderten. Auch hier wurden Gelder zur Überbrückung der neuen Situation zur Verfügung gestellt.
Kontakt: +49 621 181-1062,
Das Foto ist eine Momentaufnahme, nur wenige Tage, bevor ein ihr unbekannter Mann die Austauschstudentin in der Nacht auf den 4. Oktober 2013 überfällt, erdrosselt und vergewaltigt – und das mitten in Mannheim, auf dem Heimweg in ihr Apartment im Jungbusch. Bis heute bewegt ihr Schicksal die Stadt, hat sich dieser Mordfall ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Am Dienstag, dem 3. Oktober, jährt sich ihr Todestag zum zehnten Mal. Warum und wie Stadt und Uni deshalb an sie erinnern, welche Spuren ihr Schicksal in Mannheim hinterlassen hat und wie Freunde und Familie, aber auch eine Mannheimer Delegation damals Abschied von Gabriele in ihrem Heimatort genommen haben.
Brief an die Angehörigen anlässlich des Todestags
Die Mitarbeitenden der Schlossuni und die Mannheimer und Mannheimerinnen haben Gabriele nicht vergessen – das ist die Botschaft an die Angehörigen von Oberbürgermeister Christian Specht und Unirektor Thomas Puhl. Mit einem Brief haben sich die beiden Amtsträger anlässlich des zehnten Todestages an die Hinterbliebenen gewandt und darin erneut ihr Mitgefühl und ihre Anteilnahme ausgedrückt – und weisen auf das öffentliche Gedenken am 27. September an der Universität Mannheim selbst hin. „Uns ist sehr bewusst, dass es keinen Trost für den Verlust eines Kindes gibt. Wir wollten der Familie dennoch zeigen, dass wir gerade zu diesem zehnten Jahrestag an Gabriele und sie denken“, sagt Unirektor Thomas Puhl. „Ihre Tochter ist nicht vergessen. Wir werden ihr Andenken in Ehren halten“, sagt auch Oberbürgermeister Christian Specht.
Beide waren selbst damals dabei, als eine Woche nach dem Mord in der Aula der Universität eine Gedenkstunde mit anschließendem Schweigemarsch zum Tatort stattgefunden hatte. „Auch ich stand damals unter Schock. Der grauenvolle Tod hat unsere Stadt ins Mark getroffen“, erinnert sich Specht. Für Unirektor Puhl sei „es schwer, in Worte zu fassen, wie sehr der Tod dieses jungen Menschen die Uni, aber auch mich persönlich getroffen und erschüttert hat. Gabriele hatte ihr ganzes Leben noch vor sich.“ Da die Uni am Tag der Deutschen Einheit geschlossen ist, wird es bereits am Mittwoch, den 27. September, um 14 Uhr im Senat der Universität eine öffentliche Schweigeminute für Gabriele Z. geben. Zudem erinnert die Uni auf ihrer Webseite an die Studentin und ihren Hilfsfonds.
Beisetzung in Litauen mit weißen Rosen
Ein Grab, vollkommen bedeckt mit weißen Rosen und ein riesiger Trauerzug durch den Ort: Es sind solche Details der Beerdigung von Gabriele Z., die Marianne Seitz im Gedächtnis geblieben sind. Die CDU-Stadträtin ist damals Teil einer kleinen Delegation aus Mannheim, die in die Heimat der Studentin nach Litauen reist. Mit dabei sind zwei Psychologiestudentinnen sowie der damalige Prorektor der Uni Mannheim.

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„Ich wollte unbedingt dabei sein, mich hat das Schicksal dieses jungen Mädchens sehr berührt“, sagt Seitz heute. Der Anruf der Stadt und die Bitte, als Gesandte Mannheims an der Beisetzung am 15. Oktober 2013 teilzunehmen, kommt damals überraschend, erzählt Seitz. Nach dem Anruf vergehen nur wenige Stunden, dann sitzt die Stadträtin im Flieger nach Vilnius, der Hauptstadt Litauens. Von dort geht es weiter in den Heimatort Naujoji Akmene der 20-Jährigen. „Es war bitterkalt, aber wir wurden sehr herzlich empfangen. Es war spürbar, wie wichtig unser Besuch war“, sagt Seitz. Die Beisetzung beginnt am nächsten Tag mit Gesängen des Chors der Heimatuniversität aus Vilnius der Studentin. Begleitet von einem großen Trauermarsch durch den Ort bringen Mutter und Bruder ihre Urne zur Kirche, wo Geistliche eine katholische Messe abhalten. Unzählige Wegbegleiter, Studierende, Freunde und Familie schließen sich dem Zug an, alle halten Blumen in den Händen, so beschreibt es Seitz. Es ist die Aufgabe der Stadträtin, der trauernden Mutter, die zuvor die Überreste ihrer Tochter nach Hause geholt hat, ihr Mitleid und die Anteilnahme auszusprechen. Im Namen des Mannheimer Oberbürgermeisters, des Gemeinderats und allen Einwohnenden. Seitz gibt weiter, wie fassungslos und bestürzt die Quadratestadt ist. In Gedenken seien alle Mannheimer und Mannheimerinnen bei der Familie. Dass das keine leeren Worte sind, davon zeugen die Bilder einer großen Lichterprozession, die nur wenige Tage nach dem Mord vom Schloss bis zum Tatort zieht. Für Seitz bleibt das Begräbnis in Litauen unvergesslich: Als die Urne später in der Erde verschwindet, überdecken die Trauernden das Grab mit einem Meer aus weißen Blumen. Warum die Stadträtin der Reise zugestimmt hat? „Das stand für mich nie zur Debatte. Gabriele hatte ausgezeichnete Noten. Deswegen durfte sie zum Austausch nach Mannheim. Aber sie kam nie zurück.“
Welchen Beruf, welche Familie die einstige Psychologiestudentin heute hätte, wie ihr Leben wohl aussehen würde? Diese Fragen gehen auch Opferanwältin Sabrina Hausen bis heute manchmal durch den Kopf, wenn sie am Gedenkort unter der Kurt-Schumacher-Brücke vorbeifährt. Als Opferanwältin vertritt sie damals die Mutter der getöteten Studentin im Gerichtsprozess, besucht mehrfach mit der trauernden Frau, ihrem Sohn und zwei Freundinnen der Studentin den Tatort. „Das war damals die schlimmste Tat, die sich Eltern für ein Kind vorstellen können. Das Mitgefühl war riesig, genau wie der Andrang im Gerichtssaal“, erinnert sich Hausen.
Im Kopf geblieben ist Hausen auch Gabrieles Mörder, der bis zum Schluss emotionslos und gleichgültig auf der Anklagebank sitzt. Zwar erhält der Täter die höchste Strafe, die ein Gericht in Deutschland verhängen kann: Er muss lebenslang mit anschließender Sicherheitsverwahrung ins Gefängnis. „Für Gabrieles Mutter gab es aber keine Strafe, die den Tod ihrer Tochter hätte wieder gutmachen können“, sagt Hausen heute.
Hilfsfonds für Studis in Not in Gabrieles Namen
Als lebenslustige und engagierte Studentin – so soll Gabriele Z. laut Uni Mannheim in Erinnerung bleiben. Auch deshalb hat sich die Uni 2014, ein Jahr nach dem Mord, dazu entschieden, einen Hilfsfonds für internationale Studis in Not in ihrem Namen einzurichten. Damit soll das Andenken an die Austauschstudentin gegenwärtig bleiben, besonders bei den internationalen Studis, denen so geholfen wird. Die Hochschule will bewusst weder der schrecklichen Tat noch dem Mörder Raum lassen – und verzichtet darauf, explizit jährlich der Tat selbst zu gedenken. Was die Eltern der Verstorbenen von dem Fonds halten? „Die Familie hat sich sehr gefreut, dass wir als Erinnerung an ihre Tochter anderen internationalen Studierenden helfen wollen, und hat der Benennung explizit und dankbar zugestimmt“, erklärt die Uni auf Anfrage.
Vom Tatort zum Gedenkort
Sieben Jahre nach dem Mord wird der einstige Fundort der toten Litauerin, der bis dahin ein klassischer Angstraum ist, umgestaltet zum Gedenkort. Die Uni entscheidet sich in den Tagen nach dem Mord nach vielen Debatten dagegen, eine Erinnerungstafel am Tatort aufzustellen. Aus Sorge darum, sie könnte beschmiert werden. Auch die Stadt reagiert, leuchtet die Haltstelle „Rheinstraße“ und Wege am Quadrat C8 unter der Brücke stärker aus, richtet ein Frauen-Nachtaxi ein, installiert Kameras. Am Ende ist es der Verein Sicherheit in Mannheim (Sima), allen voran der damalige Geschäftsführer Hans-Georg Schuhmacher, der Spenden für eine Umgestaltung des Tatorts sammelt. Das Ziel: Gabriele Z. als Person und den Mord an ihr nicht zu vergessen – die dunkle Ecke für den Heimweg anderer sicherer zu machen. Auch die Sicherheit an der Uni wird verbessert, was bis heute spürbar ist: Polizeikräfte bieten am Institut für Sport Kurse in Selbstverteidigung an.
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