Das Kreischen der Kettensägen und das Klicken der Smartphonekameras beherrschten am Mittwochmorgen die Oststadt und die Schwetzingerstadt. Bei den Aufräumarbeiten müssen Bäume zersägt und Äste verladen werden – während Schaulustige Fotos machen. In den Stadtteilen zeugen umgestürzte Bäume auch am Tag danach von der brachialen Gewalt des Unwetters, das sich am Dienstagabend über Mannheim entladen hatte.
Kernzentrum des Gewitters begrenzt
In der Augustaanlage tobte das Unwetter am Dienstagabend so heftig, dass Bäume entwurzelt wurden – nur wenige hundert Meter entfernt, entlud es sich lediglich in einem Starkregen. Wie ist das möglich? „Das Kernzentrum des Gewitters hatte einen Durchmesser von etwa zehn bis zwölf Kilometern“, sagt Andreas Pfaffenzeller vom Deutschen Wetterdienst auf Anfrage: „Und wie es der Zufall eben will, lag es genau über der Oststadt, der Schwetzingerstadt und Neckarau.“ Die Wetterstation auf dem City-Airport in Neuostheim zeichnete stürmische Böen mit einer Geschwindigkeit von 70 Stundenkilometern auf: „Das entspricht Windstärke acht.“ Auf der Vogel-stang wurden nur 47 Stundenkilometer gemessen. mai
Die Polizei vermeldet am Mittwoch 42 Einsätze wegen überfluteten Straßen, abgedeckten Dächern, vollgelaufenen Kellern und beschädigten Autos. Der Fahrlachtunnel war vorübergehend gesperrt worden. Allein im Stadtteil Neckarau ist ein Sachschaden von 80 000 Euro entstanden: Mehrere Ziegel waren von Dächer gefegt worden und herabgestürzt, zudem vermeldet die Polizei auch hier zahlreiche Astbrüche und einen umgestürzten Baum, der die Friedrichstraße/Maxstraße blockierte. Insgesamt beläuft sich der Sachschaden zurzeit auf 230 000 Euro, so die Polizei. Eine eindringliche Unwetterwarnung hatte es am Dienstag schon am frühen Abend gegeben, gegen 20.30 Uhr verdunkelte sich der Himmel dramatisch, wenige Minuten später setzten sintflutartiger Regenfälle und orkanartige Windböen ein.
Aber nicht nur der Starkregen zwang einige, sich abholen zu lassen. Denn das Auto von Jasmin Tsolis war danach schlicht nicht mehr fahrtüchtig: „Ich hatte von meinem Büro auf der Rückseite des Hauses das Unwetter gefilmt und noch Witze gemacht, dass der Wagen vor dem Haus bloß keinen Ast abbekommt.“ Als sie nach Hause wollte, lag ihr Wagen in der Karl-Ludwig-Straße unter einem halben Baum begraben, Totalschaden. „Mein Herz hing an dem Wagen, der hat mich 15 Jahre treu begleitet, nach Hamburg, München, Frankreich, 180 000 Kilometer hatte der drauf, nie was gehabt.“
Auto unter Platane begraben
Ähnliches berichtet Alexander Sommer, der sich im Nachhinein ärgert: „Ich Idiot habe kurz vorher noch vollgetankt“, erklärt er. Dabei habe er zuerst noch Glück gehabt, einen der letzten Parkplätze in der Werderstraße an der Christuskirche zu ergattern, bevor das Gewitter begonnen hat, so Sommer. Danach war erstmal alles dunkel, Stromausfall. Als die Polizei das Gelände vor der Christuskirche wegen drohendem weiteren Astbruch weiträumig absperrte, wollte er sehen, was los war. Eine Polizistin führte ihn zu seinem Auto, oder zumindest zu dem, was davon übrig geblieben ist: Eine Platane war auf die Werderstraße und auf sein Auto gestürzt, den Kofferraum gibt es seitdem nicht mehr. Die Feuerwehr war schnell zur Stelle, es drohte Benzin auszulaufen. Glücklicherweise war der Tank unbeschädigt. Die Feuerwehr zersägte den Baum und gab die Straße wieder frei. Auch zwei Anwohnerinnen waren nach dem Unwetter panisch über den Werderplatz gelaufen – hatten Schlimmstes für ihr Auto befürchtet. Überall, berichten die beiden, hätten umgestürzte Bäume und abgebrochene Äste gelegen, viele Autos seien beschädigt gewesen. Mittendrin hatten sie ihren weißen Wagen geparkt. Der Wagen vor ihrem Auto war unter einer Platane begraben, der Wagen dahinter habe nach Totalschaden ausgesehen, erinnern sich die Frauen. Dann die Erleichterung: Unter Blättern begraben hatte ihr Auto keinen Kratzer abbekommen, lediglich ein Strafzettel wegen Falschparkens. „Wenn das alles ist, was mich der Abend kostet, dann zahl ich das gerne“, freuen sich die beiden. Viel Arbeit gibt es am Mittwochmorgen auch beim Haus- und Grundverein, viele Mitglieder aus der Oststadt wollen Informationen zu Schadensregulierung für vollgelaufene Keller. Auch für die Mitarbeiter vom Grünflächenamt ist es ein harter Tag: „Sandhofen, Schönau: Da war nix“, erklärt ein Mitarbeiter. Doch seit den frühen Morgenstunden rücken er und seine Kollegen mit Kettensägen in die Oststadt aus.
In der Richard-Wagner-Straße hat der Sturm eine Linde samt Wurzelballen umgeworfen und vier Autos unter sich begraben. Autobesitzer Heinz Bender will die Hoffnung noch nicht aufgeben: „Der Zweite von links unterm Baum ist meiner.“ Am Morgen wird die Linde zum beliebten Fotomotiv, die noch beliebter als die entwurzelten Bäume in der Augustanlage ist. Als die Linde zersägt wird, ist auch für Bender klar, dass da nicht mehr viel zu retten ist. Trotzdem: „Mein Versicherungsmakler ist gleich um die Ecke, der soll sich das mal anschauen.“