Mannheim. Einmal wie die Großen im Hörsaal sitzen – das konnten Kinder im Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museum erleben. Gleich drei Vorträge hintereinander, dazwischen Pause - wie an einer echten Uni. Nur dass die Vorlesungen nicht so lang waren und vor allem nicht so kompliziert.
Sie drehten sich rund um das Thema „Essen und Trinken – Reisen durch Körper und Zeit“. So lautet auch der Name der aktuellen Ausstellung. Unterstützt wurde die Kinderuni, die im Anna-Reiss-Saal stattfand, von der Bäckerinnung und vom Mannheimer Morgen. Maskottchen Fred Fuchs war höchstpersönlich anwesend.
„Heute erfahrt ihr, wie wir das Essen in Energie umwandeln, das ist eine höhere Wissenschaft. Außerdem hat sich die Zubereitung geändert von der Steinzeit bis heute“, sagte Moderatorin Kristin Mues. „Skurrile Essgeschichten von den Neandertalern bis zu den Kurfürsten“, lautete der Titel der ersten Vorlesung, präsentiert von Giulia Worf: „Wir machen eine Zeitreise, mit Vertretern aus den jeweiligen Zeiten.“
Diese Vertreter hatten Namen und trugen zeittypische Kleidung, so dass sich die Kinder gut in sie hineinversetzen konnten. In der Altsteinzeit „entsteht der kochende Mensch“, natürlich noch ohne Herd, dafür mit einer wichtigen Erfindung: dem Feuer. Worf zeigte zu jeder Epoche Bilder aus der aktuellen Ausstellung, in diesem Fall eine Feuerstelle.
Mannheimer Kinder-Uni: Die Römer aßen keine Otternasen
Nachhaltigkeit gab es auch schon, denn ein Rentier wurde komplett verwertet. Beim Quiz wurde die Frage gestellt, welche Süßigkeit es in der Altsteinzeit gab: Honig oder Nutellabrot? Die Kinder wussten es natürlich.
In der Jungsteinzeit, in der die Menschen sesshaft wurden, gab es sogar schon Kaugummi - und zwar aus Birkenpech. „Es gab Funde am Bodensee, mit Abdrücken von Zähnen“, sagte Worf. Spannend wird es in der Römerzeit, hier wurden nämlich schon Dinge importiert. In der Nähe von Mannheim wurde eine Amphore gefunden mit der Aufschrift „Fischsoße“. Auch Essen zum Mitnehmen hatten die Römer, da nicht jeder Haushalt eine eigene Küche haben durfte. Und nein, es gab keine Otternasen wie bei Monty Python, dafür gekochten Flamingo.
Im Mittelalter wurde die Mandelmilch erfunden, allerdings nicht für Laktose-Intolerante, sondern als Fastenspeise. Der Biber wurde zum Fisch erklärt, so dass er ebenfalls in der Fastenzeit gegessen werden konnte, in der Fleisch verboten war. Die Barockzeit zeichnete sich durch ein starkes Gefälle zwischen Armen und Reichen aus: Die Armen aßen manchmal Insekten, zum Beispiel die Maikäfersuppe, während man sich am Hof die Zähne mit Zucker ruinierte und Prothesen zum Kauen brauchte.
Die Zeit um 1900 war die der Industrialisierung. Es gab die Konservierung, außerdem Kaffee, Kakao und Zucker in großen Mengen, sehr zum Leid der kolonialisierten Länder. In der heutigen Zeit gibt es ein Gericht, das die Menschen am meisten lieben: Pizza. Weltweit werden 30 Milliarden davon im Jahr verzehrt. Für die Zukunft durften die Kinder Prognosen anstellen: Sie tippten auf Pillen mit allen Nährstoffen, Insekten und Gummibärchen ohne Zucker.
„Die Verdauung fängt im Kopf an“
Im anschließenden Vortrag „Wie mein Essen ein Teil von mir wird“ zeigte Gaëlle Rosendahl den Kindern den Weg der Speisen durch den Körper. „Wir beißen in eine Zitrone und merken, dass sie sauer schmeckt. Die Verdauung fängt im Kopf an. Wir sehen und riechen, es gibt eine Verbindung zum Hirn.“
Bevor man etwas isst, wird es auf Essbarkeit überprüft. Lohnt sich der Aufwand? Ist es verdorben? Etwa giftig? Besteht das Essen den Check, macht es sich auf die Reise, an deren Stationen es in immer kleinere Teile gespalten wird. Im Dünndarm ist es so weit: Die Nährstoffe werden durch Portale in den Körper gelassen, das Essen wird ein Teil von uns.
Nach einer Pause, in der es Brezeln gab, berichtete Bäckermeister Bernd Beringer von den „Geheimnissen des Brotflüsterers“ und hatte Teig zum Vorführen mitgebracht. „Die Brezel ist im Wappen der Bäcker enthalten. Sie ist ein altes Symbol, auf das wir stolz sind“, sagte Beringer. Die dicke Seite ist übrigens die, die nach oben zeigt. Der Legende nach wurde die Brezel erfunden, da ein Bäcker etwas backen sollte, wo „die Sonne dreimal durchscheint“. Hinzu kam eine Katze, die die Brezel vor dem Backen in eine Lauge schubste – heute würde die Szene als Katzenvideo die Runde machen. Zwei Kinder durften ausprobieren, wie man eine Brezel aus einem Teigstrang formt, was auf Anhieb klappte.
Beringer hatte auch statistische Zahlen zum Thema Brot mitgebracht. „Es gibt 3200 Brotsorten in Deutschland, es ist eines der wichtigsten Nahrungsmittel. Die Unterschiede liegen nicht nur in der Zusammensetzung, sondern auch in der Verarbeitung und der Backzeit.“ Unglaubliche 86 Kilo Backwaren werden pro Einwohner in Deutschland pro Jahr gegessen.
Für die Lufteinschlüsse im Brot sorgt der Sauerteig, der durch Milchsäurebakterien und Hefe in Gärung gehalten wird. Beringer reichte dem Publikum zwei Sauerteige in verschiedenen Gärungs-Stadien und ließ die Kinder daran riechen. Auch, wenn man beim stärker vergorenen fast rückwärts aus den Schuhen kippte, ist er in kleiner Dosis äußerst genießbar.
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