Veranstaltung - Beim "Socialmatch" treffen sich wildfremde Menschen, um miteinander zu spielen - und anzubandeln / Ein Selbstversuch in einer Mannheimer Bar

Kennenlernen mit Würfel und Erotik-Story

Von 
Melanie Pieske
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Das Spielfeld: Die Teilnehmer wollten sich nicht fotografieren lassen, und auch nicht ihre vollen Namen nennen.

© Pieske

Als ich Philipps Oberarme packe, um sie wild hin und her zu schwingen, zweifle ich zum ersten Mal an diesem Abend daran, dass die Idee, hier mitzumachen gut war. Etwas unbeholfen stehe ich neben meinem schlaksigen Sitznachbar und hoffe, dass die anderen schnell auf die Lösung kommen. Hoffentlich erlösen sie uns. Ich glaube, Philipp wünscht sich das Gleiche. Pantomime ist immer ein wenig peinlich. Vor allem, wenn man sich erst knapp zehn Minuten kennt - so wie Philipp und ich. Und so wie alle anderen am Tisch, die uns nun mögliche Antworten entgegenbrüllen.

"Socialmatch"

  • Seit Anfang 2015 gibt es das Angebot für Socialmatch in Mannheim zwei bis drei Mal im Monat.
  • Mannheim ist die kleinste Stadt im Portfolio, die Nachfrage sei gut.
  • Es gibt die Wahl zwischen drei Altersgruppen: 20 bis 35, 30 bis 45 und 40 bis 60 Jahre.
  • Kosten pro Person: 25 Euro.
  • www.socialmatch.de

Ich bin Teilnehmerin des Spieleabends "Socialmatch". Es richtet sich vor allem an Menschen, die neu in einer Stadt sind. "1 Bar, 10 Teilnehmer, 1 Spiel", las ich im Internet. Darunter stand: "Spielend neue Leute kennenlernen". Die Idee kam Patrick Kuhlmann und Valentin Rieger auf einer Silvesterfeier vor drei Jahren. "Die Gäste lernten sich beim Spielen schnell kennen", erzählt Kuhlmann. Daraufhin schufen sie die Reihe, die seitdem in neun Städten stattfand. "Reich werden wir damit nicht", sagt Kuhlmann, aber darum sei es ihnen auch nie gegangen.

"Taaanzen!!", rufen mehrere, und erleichtert lasse ich Philipps Arme plumpsen. "Wow, nur fünf Sekunden", sagt Patricia, die Spielleiterin, und verteilt an uns Punkte. Ich sacke zurück auf die Bank. War gar nicht so schlimm, denke ich, und ziehe an meinem Strohhalm. Die Pina Colada vor mir gibt mir ein Gefühl von Sicherheit. Rum für mehr Mumm. Wie es den anderen geht, weiß ich nicht.

Im Netz wird das Spiel beschrieben als eine Mischung aus Pantomime, "Tabu" und "Wahrheit oder Pflicht". Das ließ mich aufhorchen. Bin ich mit meinen angestaubten Vorstellungen etwa doch nicht alleine? Menschen treffen sich, ganz ohne Hilfe von Tinder oder Elite-Partner.de? Diese Idee gefiel mir.

Als nächstes würfelt Marcus. Er soll mit seiner rechten Tischnachbarin - Mist, das bin ja ich - den Begriff "Zahnfee" erklären. Wir dürfen nur zehn Wörter verwenden und müssen diese abwechselnd zu einem sinnvollen Satz verpacken, ohne Absprache. Marcus startet: "Sie...", sagt er, "holt" sage ich, "die", sagt Marcus und schaut mich dabei erwartungsvoll an, "äääh...Beißer?", sage ich weiter. Zum Glück erraten die anderen bald den gesuchten Begriff.

Antrag an die Nachbarin

Auch Caroline erwürfelt eine Aktionskarte und muss ihrer Sitznachbarin einen Heiratsantrag machen. Gar nicht so einfach in einer Bar und vor den Augen grinsender Mitspieler. Leandra nimmt unter unserem Applaus den Antrag an. Interessant sind auch die Felder, auf denen man jemandem irgendeine Frage stellen darf. Es liegt an jedem selbst, wie sehr man der Person auf den Zahn fühlen möchte. Meine Mitspieler sind vorsichtig und fragen nach dem letzten Kinofilm oder nach dem Beruf. Statt Seelenstriptease gibt's Smalltalk.

Auch, als zwei Spieler gemeinsam eine erotische Geschichte erzählen sollen, aus zehn von uns wild gesammelten Begriffen. Es fallen unter anderem "Kuss", "Theater", "Gummiente", so dass ich noch "Latex!" in die Runde werfe, weil mir die Wörter bis dahin viel zu brav sind. Erotik ist trotzdem kaum mehr heraufzubeschwören, denn die Geschichte endet mit zwei Gummienten, die sich im Theater küssen. Patricia vergibt mal nicht die volle Punktzahl, aber es gebe ohnehin nur Gewinner, das sagte sie schon zu Beginn. Es ist ja irgendwie auch Mittel zum Zweck.

Wie ich später erfahre, sind die meisten hier, um einen Partner zu finden. Andere sind neu in die Stadt gezogen und suchen Bekanntschaften. Was aus diesen wird, wissen die Spiel-Erfinder nicht. "Eine Hochzeitskarte haben wir leider noch nicht bekommen", sagt Kuhlmann.

Philipp hat schon Speeddatings und Single-Urlaube ausprobiert, aber das "Socialmatch" findet er bisher am besten. "Hier ist die Atmosphäre locker, nicht so angestrengt", sagt er. Ein anderer Mitspieler sucht seit zwei Jahren nach der großen Liebe. "Der ganze Onlinekram hat bei mir nie funktioniert", sagt er. Ein Kerl wie er, klein, mit Bauch und wenig Haaren habe es einfach schwer, von Frauen angeschrieben zu werden. Dass die Spielleiterin zwei Tage nach dem Abend die E-Mail-Adressen der Teilnehmer herumschickt, findet er super. "Dann steht man nicht so unter Druck, am Abend nach einer Nummer zu fragen."

Meine Oma gab mir mit auf den Weg, dass man seinen Partner vor der Hochzeit in zwei Situationen erlebt haben müsse: betrunken - und beim Spielen. "Da zeigen Menschen ihr wahres Gesicht." "Socialmatch" bietet dafür beste Voraussetzungen.

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