Stark gesunken ist die Zahl der Austritte aus der katholischen Kirche in Mannheim im vergangenen Jahr. Nach 1454 in 2019 kehrten in 2020 nur 974 Menschen der Institution den Rücken. Leicht zugenommen von 20 auf 25 hat die Anzahl der Wiedereintritte. Diese Zahlen nannte Stadtdekan Karl Jung beim digitalen Neujahrsempfang des Dekanats.
Sonst treffen sich dazu 250 bis 300 Gäste im Ignatiussaal – undenkbar in Zeiten der Corona-Pandemie. Stattdessen stieg Jung diesmal mit einem Videoteam hinauf in den Turm der Jesuitenkirche, um neben der größten, der 4935 Kilogramm schweren Michaelsglocke, seine Ansprache zu halten.
Kreativität gefördert
Das hatte für ihn durchaus symbolische Bedeutung. Glocken stellten gerade in schwieriger Zeit ein „verlässliches Symbol“ dafür dar, „dass wir im Glauben und Hoffen zusammenhalten“, so Jung. „Das Glockengeläut macht uns darauf aufmerksam, dass es in unserer bisweilen lauten und hektischen Welt auch die Stimme Gottes gibt“, sagte der Dekan. Kirchtürme seien Ausrufezeichen, „Glockengeläut macht das Licht der Hoffnung hörbar,“ meinte Jung, denn es sei „für unseren christlichen Glauben entscheidend, dass Gott uns nicht allein lässt!“
Neben der geringeren Zahl an Kirchenaustritten – die evangelische Kirche zieht immer zur Jahresmitte, zum Johannistag Bilanz – sanken wegen der Pandemie aber auch andere Zahlen. Taufen (2020: 301, 2019: 505) und Trauungen (2020: 37, 2019: 108) waren ebenso rückläufig wie Bestattungen (2020: 734, 2019: 796). „Bei allen Zahlen ist es aber entscheidend, dahinter Menschen zu sehen“, erklärte der oberste Geistliche der rund 93 000 Mannheimer Katholiken. Daher gelte es, aus dieser Pandemie zu lernen, denn eine der wichtigsten Aufgaben von Kirche sei es schließlich, den Menschen Hoffnung zu schenken – gerade in Mutlosigkeit, Einsamkeit, in Gefahren- und Notsituationen.
Den Vorwurf, die Katholische Kirche habe sich in der Zeit der Pandemie zurückgezogen, wies der Dekan zurück: „Wer genau hinschaut, hat etwas ganz anderes erfahren“, verwies er auf Seelsorger und Ordensschwestern in den Heimen, die Arbeit der Erzieherinnen in den Kindergärten, Angebote am Telefon, durch Weihnachtstüten und Mutmachkarten. Sie haben „Tausende Menschen erfreut“, betont er.
Die Situation habe vielmehr Mitmenschlichkeit und Kreativität gefördert, findet der Stadtdekan: „In meiner Wahrnehmung hat die Pandemie an vielen Stellen wie ein Katalysator gewirkt – neue Energien freigesetzt. Und vieles davon wird bleiben und weiterentwickelt werden.“
Natürlich bleibe die Nähe zu den Menschen, besonders zu Kranken, Trauernden, Älteren, Einsamen, Verzweifelten, Kindern und Familien eine „Kernaufgabe der Kirche“, so Jung. Bei allen nötigen Schutzmaßnahmen vor der Pandemie dürfe man „die Würde des Menschen nicht vergessen“, mahnte er: „Keiner darf ganz alleine gelassen werden, niemand darf ganz alleine sterben!“