Mannheim. Die Leserin ist schwer verunsichert. Sie und ihr Mann - die beiden wollen anonym bleiben - seien doppelt geboostert, hätten sich stets an alle Vorsichtsmaßnahmen und Empfehlungen der Politik gehalten. „Aber weil das nicht alle getan haben, sind die Corona-Zahlen immer noch so hoch“, schimpft die Frau. „Und jetzt sind wir die Leidtragenden, weil plötzlich auch Ungeimpfte überall hindürfen, nicht mal mehr Maske tragen müssen.“ Eigentlich gingen sie an Ostern immer mit Kindern und Enkeln essen, aber jetzt seien sie unschlüssig, ob sie sich - als Senioren in der Risikogruppe - noch in ein Lokal trauten. Auch im Indoor-Sportcenter, in dem sie sich mit Gleichaltrigen zum Tennisspielen träfen, fühlten sie sich beim Gedanken an Ungeimpfte ohne Maske auf den Gängen, in den Kabinen und beim Duschen unbehaglich.
Dagegen sagt eine andere Frau, die ebenfalls anonym bleiben will: „Ich freue mich, dass die Restaurants und Cafés endlich wieder voller sind.“ Es werde höchste Zeit, dass wieder Normalität in den Alltag einkehre. Sie ist einmal mit Johnson & Johnson geimpft, ihr Genesenen-Status lief kürzlich ab. Ein weiteres Mal will sich die Mannheimerin, Stand jetzt, nicht impfen lassen: „Ich finde nicht, dass das nötig ist. Infizieren kann man sich ja trotzdem.“ Sie hat auch Angst vor Impfwirkungen, beim ersten Mal lag sie zwei Tage mit Fieber flach. „Ich bin der Meinung, jeder soll für sich selbst entscheiden, ob er sich impfen lässt und ob er weiter eine Maske trägt“, so die Frau. Sie selbst verzichte nun in der Regel auf einen Mund-Nasen-Schutz: „Ich kriege da Beklemmungen.“
Die Corona-Zahlen sind seit Freitag weiter deutlich ...
- Die Corona-Zahlen sind seit Freitag weiter deutlich zurückgegangen.
- Mit 273 am Samstag, 405 am Sonntag und 234 am Montag gemeldeten Neuinfizierten liegt die Sieben-Tage-Inzidenz jetzt bei 1150,4. Der baden-württembergische Landesdurchschnitt beträgt 1045,8.
- Es gibt zwei weitere Todesfälle, einen vom Samstag und einen vom Montag. Damit sind in Mannheim mittlerweile insgesamt 468 Menschen in Zusammenhang mit dem Virus gestorben.
- Die tagesaktuellen Zahlen der Stadt sind montags bis freitags unter www.bit.ly/3v6k4FG zu finden.
Weiterhin Maskenpflicht im Nationaltheater
Es sind nur zwei Einzelmeinungen. Aber sie zeigen, dass manche Menschen die seit acht Tagen geltenden Lockerungen als Befreiung begreifen, andere jedoch als Bedrohung. Das Nationaltheater hat sich daher zu einem behutsamen Vorgehen entschieden. „Wir erhöhen jetzt zwar nach und nach die Auslastung“, so Sprecherin Doreen Röder. Aber es würden in manchen Reihen auch weiter Plätze angeboten, auf denen man nicht direkt neben anderen Menschen sitzen müsse. Zudem gelte weiter die Maskenpflicht, „die ist gut und wichtig“. Der Wegfall der 3G-Regelung - Ungeimpfte brauchen nun keinen Schnelltest mehr - habe im Nationaltheater nicht zu einem stärkeren Zulauf geführt.
Im Cinemaxx- und im Cineplex-Kino beobachtet Geschäftsführer Frank Noreiks jedoch einen leichten Anstieg der Besucherzahl. Dies liege wohl auch daran, dass es jetzt entspannter zugehe und keine Zugangskontrollen mehr nötig seien. Masken würden nur noch von einer Minderheit getragen. Wobei in Kinosälen, im Gegensatz zum Theater, ja auch gegessen und getrunken wird. Menschen, denen die Lockerungen nicht geheuer sind, kommen laut Noreiks nun eher in schwächer besuchte Vorstellungen. Er nennt die Aufhebung der Einschränkungen „die richtige Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt“.
So sieht das auch Manfred Büch, Vorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbands DEHOGA Rhein-Neckar. Die Menschen sehnten sich nach Ausgelassenheit und Normalität, das habe er gerade auch beim Amokoma-Konzert in der Hockenheimer Stadthalle gemerkt. Und in seinem Mc Donald‘s in der Neckarauer Straße habe sich Zahl der Gäste zuletzt sogar mehr als verdoppelt.
Kein 3G mehr in Fitnessstudios
Vom Wegfall der 3G-Regel haben auch Indoor-Sportstätten profitiert. Ein stärkerer Zulauf ist Maximilian Richter vom Fitnessstudio Pfitzenmeier am Flughafen bisher indes noch nicht aufgefallen, „aber viele tragen jetzt keine Masken mehr“. Bei McFIT in Käfertal berichtet dagegen eine Mitarbeiterin, die nicht namentlich genannt werden will, von deutlich mehr Kundschaft.
„Insgesamt gibt es ein Aufatmen bei vielen betroffenen Unternehmen, da die Schäden mit jedem Tag größer wurden“, teilt Manfred Schnabel von der IHK Rhein-Neckar mit. Nun sorge das wärmere Wetter im Verbund mit den Lockerungen dafür, dass auch die Geschäfte wieder stärker frequentiert würden.
Im Handel ist die größte Veränderung die weggefallene Maskenpflicht. Eine solche könnten Ladeninhaber zwar theoretisch über das Hausrecht weiter vorschreiben. Doch laut Swen Rubel vom Einzelhandelsverband Nordbaden sei das „die absolute Ausnahme“. Allerdings würden viele Kunden freiwillig weiter einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Von etwaigen Konflikten mit anderen habe er noch nichts gehört.
Inflation bereitet große Sorge
In Supermärkten, so der subjektive Eindruck, der im Familien- und Freundeskreis bestätigt wird, ist sogar noch eine deutliche Mehrheit mit Masken unterwegs. Ob das mit der Zeit - und vor allem bei sinkenden Corona-Zahlen - so bleibt, wird sich aber erst noch zeigen müssen.
Was die allgemeine Entwicklung angeht, ist IHK-Präsident Schnabel wenig optimistisch. Die hohe Inflation und das schwache Konsumklima machten Hoffnungen der Unternehmen auf eine dauerhafte Erholung „überschaubar“. Mit Blick auf die gescheiterte Impfpflicht sei es umso wichtiger, dass es im Herbst nicht erneut zu Einschränkungen komme. Vor allem zu keinem Lockdown.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Lockerungen für viele eine Verunsicherung