Serie „Fridays for Future“ (2) - Die Stadt soll ausschließlich erneuerbare Quellen einsetzen / Was dafür und was dagegen spricht

Energiewende mit demokratischer Kontrolle

Von 
Martin Geiger
Lesedauer: 
© Rinderspacher

In zehn Forderungen hat die Aktionsgruppe „Fridays for Future“ Mannheim (FFF) ihre Zukunftsvision einer klima- und sozialgerechten Stadt formuliert. In dieser Serie bewerten Betroffene und Experten die Forderungen. Diesmal geht es um den Energie- und Wärmebedarf der gesamten Stadt.

Was „Fridays for Future“ sagt

„Die Stadt soll verantwortlich für die Energie- und Wärmeproduktion sein, um demokratische Kontrolle über eine der wichtigsten Infrastrukturen der Stadt zu haben“, erklärt ein Sprecher den Hintergrund der Forderungen. „Der Vorteil einer kommunalisierten Energie- und Wärmeproduktion besteht darin, dass – im Gegensatz zu einer Aktiengesellschaft – diese dem Wohl der Bürger*innen und nicht dem Profitinteresse der Aktionär*innen verpflichtet ist.“ Das Hauptaugenmerk solle darauf liegen, die Bürger mit Energie und Wärme zu versorgen, und nicht darauf, „die höchstmöglichen Gewinne zu erzielen“. Daraus ergebe sich die Forderung, dass die Stadt wieder 100 Prozent der Aktien der MVV Energie AG erwirbt.

Was die MVV dazu sagt

Das Unternehmen hat es gar nicht in der Hand, darüber zu entscheiden, ob der komplette Energiebedarf aller Mannheimer Haushalte bis 2030 aus erneuerbaren Quellen erzeugt wird. Denn der Strommarkt ist liberalisiert. Das heißt, jeder Kunde sucht sich seinen Anbieter aus und entscheidet selbst, ob er Ökostrom beziehen möchte oder nicht.

Mit dem Kohleausstiegsgesetz hat sich Deutschland dazu entschieden, spätestens 2038 das letzte Kohlekraftwerk vom Netz zu nehmen. Allerdings heißt das nach heutigem Stand noch nicht, dass es dann ausschließlich erneuerbaren Strom geben wird. Denn manchmal scheint weder die Sonne noch weht der Wind. Und da bislang keine ausreichenden Speicherkapazitäten existieren, gilt (fossiles) Gas bis auf weiteres als unverzichtbar.

Bezieht man die Forderung der Aktivisten rein auf die MVV, so weist diese darauf hin, dass sie sich „bereits mitten in dem Umbau der eigenen Energieerzeugung“ befindet, teilt ein Sprecher mit. „Unsere Energieerzeugung wird also immer grüner.“ Im vergangenen Geschäftsjahr stammten demnach fast zwei Drittel der Stromerzeugung in den MVV-Anlagen aus erneuerbaren Quellen. Das entspräche rechnerisch dem durchschnittlichen Jahresverbrauch von mehr als 310 000 Haushalten – und damit weitaus mehr, als es in Mannheim (rund 173 000) gibt.

Auch bei der Wärmeversorgung setzt die MVV zunehmend auf „grüne“ Wärme. Durch den bereits erfolgten Anschluss des Müllheizkraftwerks auf der Friesenheimer Insel an das Fernwärmenetz und den geplanten des benachbarten Biomassekraftwerks will das Unternehmen bis 2024 rund 40 Prozent des Jahresbedarfs aus erneuerbaren Quellen erzeugen.

Und dieser Weg soll weiter beschritten werden, etwa durch den Einsatz von Geothermie, Fluss-Wärmepumpen oder mehr Biomasse. Auch hinsichtlich der Neuausrichtung des Grosskraftwerks Mannheim (GKM) hat MVV-Chef Georg Müller bereits betont: „Intelligenter wäre es, wenn wir Wärme gleich CO2-frei erzeugen würden.“ Bei all dem folge die MVV dem Zeitrahmen des Kohleausstiegsgesetzes, erklärt der Sprecher. Dieser schreibt vor, dass Steinkohleanlagen wie das GKM spätestens 2034 und Braunkohlekraftwerke spätestens 2038 vom Netz gehen.

Was die Stadt dazu sagt

Der zweite Teil der FFF-Forderung richtet sich an die Stadt Mannheim, die mit 50,1 Prozent der entscheidende Eigner der MVV-Aktiengesellschaft ist. Erst kürzlich hätte sie ihren Anteil erheblich erhöhen können, als die ehemaligen Aktionäre EnBW und RheinEnergie ihre Anteile von insgesamt 45,1 Prozent verkaufen wollten. Doch die Kommune hatte kein Interesse daran, weitere Papiere zu erwerben: „Wir sprechen hier über ein Investment mit einem Börsenwert von rund 750 Millionen Euro“, erklärte Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) anschließend im Interview mit dieser Redaktion.

Bereits jetzt sei die MVV-Beteiligung die größte Kapitalbindung der Stadt. „Außerdem ist die MVV kein Stadtwerk mehr, sondern ein überregional und national, teils sogar international tätiges Unternehmen“, so Kurz. Angesichts dieser Ausrichtung sei es „angemessen und sinnvoll“, dass weitere Kapitalgeber beteiligt seien. „Für die Stadt Mannheim ergibt sich auch kein wesentlicher Vorteil durch mehr als 50,1 Prozent der Aktien.“

Die Chancen beider Teile der Forderung, Realität zu werden, stehen schlecht. Denn zum einen gibt es bei der technischen Umsetzbarkeit der Umstellung auf rein erneuerbare Energien noch zu viele Fragezeichen. Zum anderen ist der notwendige politische Wille dafür nicht erkennbar – was sich mittelfristig jedoch natürlich ändern könnte.

Redaktion Reporter für die Ressorts "Wirtschaft" und "Mannheim".

Mehr zum Thema

Serie „Fridays for Future“ Forderungen stoßen beim Grosskraftwerk auf Skepsis

Veröffentlicht
Mehr erfahren

Podcast "Mensch Mannheim" Klimaaktivistin Caroline Schmahl verrät ihre Pläne

Veröffentlicht
Mehr erfahren

Gas-Krise Mehr Kohle-Strom aus dem Grosskraftwerk Mannheim?

Veröffentlicht
Mehr erfahren