Ausbildung

Einer der Besten: Besuch beim kreativen Kopf hinter Mannheims Schaufenstern

Zerkratzte Hände und viel Bügeln: Florin Miller arbeitet in einem Mannheimer Kaufhaus und wurde jetzt ausgezeichnet. Was er hinter dem Schaufenster leistet.

Von 
Lisa Uhlmann
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Zu Weihnachten und Silvester wirds festlich: Der 23-jährige Florin Miller entwirft regelmäßig Outfits für die Gestalten hinter dem Schaufenster. © Lisa Uhlmann

Mannheim. Beim Kennenlernen im Erdgeschoss mit Handschlag im Kaufhaus von Peek & Cloppenburg wirken die zerkratzten Hände von Florin Miller irgendwie fehl am Platz, wo sich hier doch eigentlich alles um Mode und Deko dreht. „Ach das“, sagt der 23-Jährige schulterzuckend und fügt mit einem entschuldigenden Lächeln hinzu: „Wir sind fast durch mit den Weihnachtsbäumen, aber die zerkratzen beim Aufstellen einfach alles! Weihnachten ist die anstrengendste Saison, aber eben auch so schön!“

Der Mann mit dem royalblauen Strickpulli und den schulterlangen Locken wirkt, umgeben vom Vorweihnachtstrubel, an diesem Novembertag ziemlich entspannt – und freut sich über den Besuch, der alles über seinen außergewöhnlichen Job als Gestalter für visuelles Marketing wissen will. Den macht der Wahl-Mannheimer nämlich so gut, dass der Absolvent von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Rhein-Neckar als einer von 130 Prüfungsbesten geehrt wird – darunter 15 andere Auszubildende aus Mannheimer Betrieben.

130 Prüfungsbeste bei der Ausbildung

Die IHK Rhein-Neckar hat 130 Prüfungsbeste der beruflichen Aus- und Fortbildung geehrt. 14 von ihnen gehören zu den Besten im Land, sechs sogar zu den Besten bundesweit. Die Besten aus Mannheim:

  • Jael Debora Becker, Kauffrau für Büromanagement bei der IHK Mannheim
  • Sophia Bojanowski, Kauffrau für Marketingkommunikation bei der Agentur Ressmann e.K. Mannheim
  • Lara Naomi Erhard, Fachpraktikerin Küche (Beiköchin) beim Förderband e.V. Im Bund der Deutschen katholischen Jugend Mannheim
  • Leonie Hammann, Zusatzqualifikation Künstliche Intelligenz u. maschinelles Lernen, Online Software AG Heidelberg
  • Constance Hoffmann, Fachkraft für Gastronomie, Engelhorn Gastro GmbH (ist auch Landes- und Bundesbeste)
  • Enrique Jollaj Rodriguez, Produktionsfachkraft Chemie, TIB Chemicals AG Mannheim
  • Sinem Kara, Immobilienkauffrau Mannheim Immobiliengesellschaft der Sparkasse Rhein Neckar Nord mbH, erhält auch den Förderpreis GBG Unternehmensgruppe GmbH
  • Firdevs Saliha Kayali, Fertigungsmechanikerin, Daimler Truck AG Mannheim
  • Mara Theresia Lang, Maskenbildnerin, Nationaltheater Mannheim
  • Christian Lazarus, IT-System-Elektroniker, mg: mannheimer gründungszentren gmbh
  • Florin Matthias Miller, Gestalter für visuelles Marketing, Peek & Cloppenburg B.V. & Co. KG
  • Tim Cong Nguyen, Anlagenmechaniker, MVV Energie AG
  • Tim Pfeiffer, Zusatzqualifikation Internationales Wirtschaftsmanagement mit Fremdsprachen für Industriekaufleute, FUCHS LUBRICANTS GERMANY GmbH
  • Andreas Schuckmann, Brauer und Mälzer, Weldebräu GmbH & Co KG.
  • Eric Smith, Fachinformatiker, SI Pro GmbH Gesellschaft für Systemintegration und Geschäftsprozeßgestaltung

Als einer der Jahrgangsbesten hat Miller seine Ausbildung nämlich im Juli mit Bravour beendet und freut sich seitdem jeden Tag auf die Arbeit zwischen Abendkleidern, Sportklamotten und Kaschmirpullis. Dabei ist er in seinem siebenköpfigen Team mit zwei Chefinnen an der Spitze der einzige Mann – was ihn überhaupt nicht stört, im Gegenteil.

Täglich Abstauben, Bügeln oder Streichen im Mannheimer Modehaus

Wie so sein Arbeitsalltag aussieht? Schon bevor das Haus seine Türen öffnet, erzählt Miller, inspizieren er und seine Kolleginnen einmal alle Etagen. Stehen die Sessel ordentlich, hängt der Weihnachtsschmuck noch an Ort und Stelle? Sind alle Schaufensterfiguren sauber, noch richtig angezogen? Oder fehlt hier und da eine Jacke, sitzt die Mütze schief, ist ein Verkaufsschild verrutscht? „Wir stauben täglich die Figuren einmal ab und bestücken sie neu, wenn ein Kunde die Hose gekauft hat, die eine Figur trägt. Auch Streichen und Bügeln übernehmen wir. Der Laden soll jeden Tag wie neu aussehen“, erklärt Miller den Tagesablauf.

Damit allein hat das Team schon viel zu tun: An die 100 Schaufensterpuppen, die im Fachjargon Figuren heißen, stehen im Laden verteilt. Alle paar Wochen wechseln sie die Outfits – je nach Saison. Täglich läuft der Gestalter so mehr als 12.000 Schritte, hievt Figuren vom Sockel oder positioniert sie neu im Schaufenster. Jede einzelne wiegt bis zu 17 Kilogramm. Das An- und Ausziehen, Ab- und Anschrauben von Händen, Armen und Beinen – das ist Schwerstarbeit und erfordert viel Übung, weiß Miller.

Das ist keine Schreibtischarbeit, man ist viel auf den Beinen und kann gleichzeitig kreativ sein.
Florin Miller

Was ihn an diesem Beruf so fasziniert? „Das Jobprofil hat exakt auf mich gepasst. Das ist keine Schreibtischarbeit, man ist viel auf den Beinen und kann gleichzeitig kreativ sein“, sagt der gebürtige Erfurter. Seinen Traumjob findet er erst über Umwege. Zwar ist es eine andere, nicht abgeschlossene Ausbildung zum Raumausstatter, die ihn von Erfurt in die Rhein-Neckar-Region zieht. Die zweite Ausbildung zum Gestalter bringt ihn dafür nach Mannheim – und hält ihn seitdem in der Quadratestadt. Auch privat ist der 23-Jährige künstlerisch unterwegs, näht selbst Mode oder organisiert mit Freunden Kunstprojekte und Tanzevents.

Konzept „Kauf das Outfit“ soll Kunde anlocken

Dass dieser Job tatsächlich wie zugeschnitten zum bodenständigen Erfurter passt, wird beim Rundgang durch die Stockwerke deutlich.Dabei spricht der Lockenkopf mit Augenbrauenpiercing über Modestile und das richtige Outfit – mit den Händen in der Hosentasche. Das Zusammenstellen ist neben täglichem Figurenabstauben, Kleider bügeln und Umdekorieren Millers Hauptgeschäft. „Diese Aufgabe ist superkreativ. Ich laufe dann einmal durch den Laden, wähle Kleidungsstücke aus und kreiere damit verschiedene Outfits“, sagt der drahtige 23-Jährige. Seiner Kreativität sind hier auch Grenzen gesetzt.

Schließlich sind die Figuren keine Leinwand, sondern Mittel zum Zweck: Sie sollen die Ware so präsentieren, dass man sie direkt kaufen will. „Shop the Look“, Kauf das Outfit, heißt das Konzept dahinter. So tragen die Figuren im Laden genau die Kleidungsstücke, die direkt um sie herum platziert sind. In der Praxis heißt das: Im Modehaus selbst tragen die Gestalten Langarmshirts, Hosen und T-Shirts. Die Figuren im Schaufenster selbst dagegen sollen die vorbeilaufende Kundschaft mit ihrem Outdoor-Style mit Winterjacken, Mützen und Schals anlocken. Auf den kleinen Schildern im Schaufenster steht sogar die Artikelnummer samt Etage, wo das Stück zu finden ist, verrät Miller.

Zwar gehört auch das Gestalten von Schaufenstern zu seinem Beruf. So aufwendig wie ein Kaufhaus nebenan dekorieren Miller und sein Team ihre Ladenfenster aber nicht. Die Rückwände und Böden für die Schaufenster sind vorgegeben von oben, genauso wie der allgemeine Modestil: chic und bequem, mit aktuellen Trends und hochwertigen Stoffen, aber ohne viel Schnickschnack.

Eleganter Plüsch mit Scharlachrotem Rollkragenpulli kombiniert

Das Sortiment reicht von lässiger Freizeitkleidung bis hin zu gehobenen Designerlabels und Festtagskleidung. An einer Damen-Figur in der ersten Etage im Schaufenster lässt sich seine Arbeitsweise direkt begutachten und sein Gespür für Mode erkennen: Gekleidet in einer beigen Jacke mit dezentem Plüsch, kombiniert mit scharlachroten Rollkragenpulli samt passend roter Valentino-Tasche und einer schwarzen Bootcut-Hose möchte man fast selbst in das Outfit schlüpfen.

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Oft probiert Miller die Outfits vorher selbst an, sucht sich seine Lieblingsjacke aus und kombiniert die mit verschiedenen Farben und Mustern. Dass er selbst nicht anfällig ist für schnelle Mode, lässt sich an seinen bequemen Wanderschuhen und dem selbstgestrickten Pulli ablesen. Zurück im Erdgeschoss grüßt Miller zwei Kolleginnen, die gerade einen von vier meterhohen Weihnachtsbäumen akkurat in Form zupfen. Zwar sind die Bäume nicht echt, aber die Lichterketten anzubringen umso mühsamer, findet Miller. Was ihm am besten an seiner Arbeit gefällt? Da muss er nicht lange überlegen: „Jeden Tag kreativ sein zu können.“

Redaktion Seit 2018 als Polizeireporterin für Mannheim in der Lokalredaktion.

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