Mannheim. Das Abitur beginnt – unter strengen Hygieneauflagen und einen Monat später als ursprünglich geplant. Die Meinung in der Schülerschaft zur Verschiebung der Abiturprüfungen war geteilt, berichtet Dennis Klingenspohr, Abiturient am Liselotte-Gymnasium und stellvertretender Stadtschülersprecher: „Der eine oder andere hat vielleicht zu spät angefangen zu lernen und war froh, mehr Zeit zu haben. Andere wollten die Prüfungen endlich hinter sich bringen – und mussten weiter und weiter lernen.“ Gerhard Weber, Leiter des Moll-Gymnasiums, ist der Ansicht: „Es war richtig, dass das Abitur verschoben worden ist. So konnten alle mit dem Schock umgehen.“
Zwei Termine zur Wahl
- Die Abiturprüfungen in Baden-Württemberg finden vom 18. Mai bis zum 29. Mai statt.
- Die Abiturienten hatten die Möglichkeit, von vorneherein den Nachtermin zu wählen. Für sie sind die Prüfungen vom 16. bis 25. Juni oder vom 2. bis 10. Juli.
- Insgesamt 1.339 Schüler machen dieses Jahr in Mannheim Abitur.
- Ende März wurde das Abitur in Baden-Württemberg verschoben, ursprünglich war dafür die Zeit nach den Osterferien vorgesehen. julb
Präsenzunterricht tat gut
Hannah Gembe, Abiturientin am Feudenheim-Gymnasium, hat sich zu Beginn des Lockdowns, als noch der alte Abiturtermin feststand, „unter Druck gesetzt“ gefühlt. Durch die Verschiebung wurde die Situation entspannter: „Ich konnte mich daran gewöhnen und mich strukturieren.“ Jetzt fühlt sich die 18-Jährige gut auf die anstehenden Prüfungen vorbereitet. Maßgeblich dafür war auch, dass sie zwei Wochen lang wieder Präsenzunterricht hatte. Auch Dennis Klingenspohr merkt lachend an: „Persönlicher Unterricht ist immer besser, weil man dann auch ein bisschen gezwungen wird.“ Der Online-Unterricht habe grundsätzlich gut geklappt, berichten beide.
Anna-Maria Schintu, die an der Integrierten Gesamtschule (IGMH) ihr Abitur macht, erzählt auch von Lehrern, die sich kaum gemeldet hätten: „Nach vier Wochen haben wir uns gefragt: Wollen sie, dass wir Abitur machen, oder ist ihnen das egal?“ Die 18-Jährige lastet der Politik an, dass sie zu wenig auf die psychische Situation von Abiturienten Rücksicht genommen habe. „Sie hätten unsere Argumente anhören sollen“, meint sie.
Die Idee eines „Noten-Bonus“, den der Deutsche Hochschulverband fordert, falls das diesjährige Abitur schlechter ausfallen sollte als im Durchschnitt der vergangenen Jahre, findet Anna-Maria Schintu „prinzipiell nicht schlecht“. Hannah Gembe fürchtet hingegen, dass dieser dem Jahrgang als „Vorurteil“ anlasten könne. Stattdessen wünscht sie sich Rücksichtnahme von den Lehrern. Gerhard Weber kann den Wunsch der Schüler nach wohlwollendem Korrigieren grundsätzlich nachvollziehen, betont aber: „Wir können das Abitur nicht verschenken. Wir gehen professionell vor, so wie immer. Alles andere wäre ungerecht.“ Seit dem Neustart am 4. Mai gelten in Schulen strenge Hygieneauflagen. Abstände einzuhalten sei beim Abitur sowieso an der Tagesordnung, so Weber. „Es gibt Schulen, die schreiben immer schon in der Turnhalle“, betont der Sprecher der Mannheimer Gymnasien. Am Moll-Gymnasium gäbe es für vier Abiturienten, die zur Risikogruppe gehörten, zusätzliche Hygienevorgaben. Sie schrieben die Prüfungen in einem separaten Raum, mit 2,50 Metern Abstand voneinander. Jeder, der den Raum betritt, müsse dies dokumentieren, so Weber.
Gemeinschaftsgefühl fehlt
Anna-Maria Schintu ist der Ansicht, dass es vielen Schülern schwerfallen wird, unter den Corona-Bedingungen „einen psychischen Abschluss“ mit der Schulzeit zu machen. Erlebnisse wie der Abistreich oder der Abiball – das Gemeinschaftsgefühl – würden ihnen fehlen. Wenn sie nachgeholt werden könnten, seien viele Schüler womöglich schon am Studienort. Schintu stellt ihrem Schulleiter jedoch Lob für seine Bemühungen aus: „Er will ermöglichen, dass wir wenigstens unsere Zeugnisse persönlich mit einem Elternteil erhalten können.“
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