Mannheim. Die Klimadebatte ist auch auf dem Mannheimer Neujahrsempfang angekommen (siehe Bericht auf Seite 1). „Wir verstehen nicht, dass hier jetzt Fronten aufgemacht werden“, reagierte Leon Brülke von der „Fridays for Future“-Bewegung auf einen Aushang der Stadt am verwaisten Stand seiner Gruppe. Dort heißt es: „Die Diskussion um die konkrete Strategie zur Bekämpfung des Klimawandels ist ein dringender und notwendiger politischer Prozess. Gerade der diesjährige Neujahrsempfang will diese Diskussion führen, dafür werben, Initiativen vorstellen und Mitstreiter gewinnen.“ Auf Nachfrage dieser Zeitung begründete Brülke das Fernbleiben der Aktivisten von ihrem Stand im Rosengarten so: „Wir sehen uns nicht in der Rolle, hier Tipps für klimaneutrales Handeln zu geben“.
Auf die lange Bank geschoben?
Caroline Golly und Efstathios Kalaitsidis
- Durchs Programm des Festaktes im Mozartsaal führten Caroline Golly und Efstathios Kalaitsidis als Moderatoren.
- Caroline Golly ist Projektmanagerin bei der städtischen Klimaschutzagentur und dort unter anderem verantwortlich für die Kampagne „Bleib’ Deinem Becher treu!“
- Efstathios Kalaitsidis ist Schüler der Friedrich-List-Schule und hat sich in einem Seminar intensiv mit den Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz beschäftigt. lang
An dem Stand im oberen Foyer des Rosengartens hatten die Schüler einen Text angebracht, in dem es unter anderem heißt: „Anstatt Maßnahmen zu ergreifen, um die Stadt Mannheim so schnell wie möglich klimagerecht zu machen, wird Klimaschutz weiter auf die lange Bank geschoben“ – ein Vorwurf, den Oberbürgermeister Peter Kurz und Bildungsdezernent Dirk Grunert so nicht stehen lassen wollten.
„Manche glauben gar nicht mehr an Dialog und demokratische Prozesse und fordern immer unverhohlener autoritäre Maßnahmen, die sie in allen anderen gesellschaftlichen Fragen ablehnen“, so Kurz in seiner Ansprache. Die Ausstellung „Umweltbewusst leben in Mannheim“, die auch das Motto des Neujahrsempfangs vorgab, präsentierte Tipps, Anregungen und Mitmachaktionen zum Thema Klimaschutz. Dabei stand die Mobilität mit dem verbilligten Nahverkehr zur Senkung der Stickoxid-Belastung ebenso im Blickpunkt wie Mannheims größtes, grünes Stadtentwicklungsprojekt, die Bundesgartenschau 2023. Dass umweltbewusst leben auch eine ethisch-moralische Frage sein kann, stellten die evangelischen und katholischen Kirchengemeinden mit einer Umweltengel-Aktion dar. Das Klimaschutz-Thema zog sich auch durch das Kultur-Programm des Festaktes. So präsentierte ein Ensemble des Nationaltheaters um Gernot Grünewald erste Eindrücke des neuen Stücks „Siebenundzwanzig Jahre“, mit dem das Theater die Klimakrise thematisieren möchte. 27 Jahre – so lange bleibt noch Zeit, um den Ausstoß von Treibhausgasen herunter zu fahren. Die Proben für das Stück beginnen demnächst. In ihrer Gastrede forderte Klimaforscherin Sabine Gabrysch dazu auf, nicht nur den eigenen ökologischen Fußabdruck zu reduzieren, sondern auch einen „Handabdruck“ zu hinterklassen. „Werden Sie aktiv, tragen Sie in der Politik und mit Aktionen dazu bei, dass dass Klimaschutz ernsthaft betrieben wird.“
Im Lauf des Tages waren nach Angaben der Stadt 10 000 Besucher in den Rosengarten gekommen, um sich an den Ständen und beim Bühnenprogramm von etwa 250 privaten und städtischen Institutionen von der Arbeitsgemeinschaft der Suchtberatungsstellen bis zum Weltladen Mannheim zu informieren und ins Gespräch zu kommen. Etwa 1500 meist ehrenamtliche Mitwirkende bestritten die Veranstaltung, die am Abend mit der Prunksitzung der Mannheimer Karnevalskommission endete. (mit jor)