Ludwigshafen. Die Stadt Ludwigshafen erlebt in diesen Monaten die wohl größte Schulkrise der Nachkriegszeit. Erst die Gräfenau-Grundschule mit fast vier Dutzend Wiederholern in der ersten Klasse, nun die sozialen Probleme mit Jugendlichen zwischen dem zehnten und 17. Lebensjahr. Dass die einen Lehrkräfte sich überlegen, ob sie ihren Job an den Nagel hängen und andere psychisch ausgelaugt einfach monatelang zu Hause bleiben, sagt viel über den Alltag der Pädagogen aus. Dass Schüler unter eine Kellertreppe im Gebäude pinkeln, ist andererseits ein Beweis für deutliche Notlagen oder eine zunehmende Enthemmtheit unter den Jugendlichen.
Schon jetzt steht fest, dass die Karolina-Burger-Realschule Plus im Stadtteil Mundenheim unter den weiterführenden Schulen eher die Regel als die Ausnahme zu sein scheint. Das bestätigen Rückmeldungen von Lehrerinnen, Konrektoren und Rektoren in Hintergrundgesprächen der vergangenen Tage. „Fast“, so sagen manche, „ist es ein Wunder, dass es so lange gedauert hat, bis mal eine Bombe platzt.“
Diese Bombe ist im vorliegenden Fall der Brief, aus dessen Inhalt diese Redaktion in dieser Woche schon mehrmals zitiert hat. Das Kollegium der Mundenheimer Schule stand hinter dem Schreiben, das letztlich der Personalrat der Schule im Juni an die rheinland-pfälzische Schulaufsichtsbehörde versandt hat. Aus diesem Schreiben haben sich auch Fragen ableiten lassen, die die Schulaufsichtsbehörde nur auf den zweiten Blick etwas angehen. In erster Instanz ist da die Stadtverwaltung Ludwigshafen gefragt, die seit 20 Jahren an immer weiteren Fronten zu kämpfen hat. Finanzen, Verkehr, Migration, Wohnungsbau, Bildung. Ludwigshafen ist gerade die Stadt unter dem Brennglas, das den Namen Wirtschafts- und Transformationskrise trägt. Ludwigshafen gehört zu den Städten in Deutschland, die am meisten unter Druck stehen.
Stadtverwaltung Ludwigshafen bemängelt Vandalismus von Schülern auf Toiletten
Die Frage aller Fragen spielte im just zu Gunsten des CDU-Bewerbers Klaus Blettner entschiedenen Oberbürgermeisterwahlkampf aber eine nur geringe Rolle: Ist die Stadtverwaltung angesichts von Personalmangel, begrenzten Finanzen und einer Unmenge an anstehenden Aufgaben überhaupt noch in der Lage, adäquat auf situative Herausforderungen wie jene an der Mundenheimer Schule zu reagieren? Nicht umsonst tingelte die scheidende Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck zuletzt mit erhobenem Zeigefinger durch die Talkshows von Lanz und Welke wie einst der Prophet Jesaja im Alten Testament – stets mahnend, dass die Sünden der Bundes- und Landesregierungen am Tag des jüngsten Gerichts jede Kommune betreffen könnten. Von Cornelia Reifenberg, als Dezernentin für Ludwigshafener Schulen zuständig, war nach dem Amokalarm vergangene Woche gar nichts zu hören.
In dieser Gemengelage hat es nun fast sieben Tage gedauert, ehe konkrete Fragen beantwortet werden konnten, die etwa den Umstand betrafen, dass Schüler und Schülerinnen in Einzelfällen gar ihr großes Geschäft unter eine Kellertreppe erledigt haben, um die eigentlich vorhandenen Toiletten nicht benutzen zu müssen. Die Stadt Ludwigshafen nimmt dazu nun Stellung: „Die Toilettenanlagen im Erdgeschoss zum Schulhof hin wurden saniert und sind in einem guten Zustand. Im Gebäudekern gibt es noch ,alte‘ WC-Anlagen, die in einem altersgemäßen Zustand und baulich-technisch in Ordnung sind. (…) Auffällig ist hier immer wieder auftretender Vandalismus – von Beschädigung der Einrichtung bis hin zu Fäkalienschmierereien an Wänden, Böden, Objekten.“
Dass Schüler nicht auf normale Toiletten gehen, ist nach Einschätzung der Stadtverwaltung nicht auf den baulichen und hygienischen Zustand zurückzuführen. Die drei Treppenunterläufe im Kellergeschoss, wo es beschriebene Verunreinigungen immer wieder gegeben habe, seien nun verschlossen worden.
Pro Fehlalarm an Karolin-Burger-Realschule Plus werden 1100 Euro fällig
Auf was die im Jahr 2024 stark angestiegene Anzahl von Feuerwehreinsätzen zurückzuführen ist, kann die Stadtverwaltung hingegen nicht sagen: Am Mittwoch gab es den elften Alarm in diesem Jahr. 17 waren es im Jahr davor und acht im Jahr 2023. Es habe sich um böswillige Alarme gehandelt, die ohne ersichtlichen Grund ausgelöst worden seien. Ein solcher Einsatz koste jeweils 1100 Euro – die aber nicht in Rechnung gestellt werden können, weil die Verursacher unbekannt blieben. Die Einsatzkosten würden verwaltungsintern verrechnet, so die Stadtverwaltung. Zudem würden Feuerlöscher öfter leer gesprüht, die dann ersetzt werden müssten – einhergehend mit entsprechenden Reinigungsarbeiten. Videokameras, die solche Szenen aufzeichnen könnten, seien aufgrund des Datenschutzes in der Schule nicht zulässig.
Eine eher verklausulierte Antwort gibt die Stadtverwaltung zu den Forderungen der Lehrkräfte nach ausnahmslos von innen verriegelbaren Türen. Ein Sprecher teilt mit: „Im Rahmen der früheren Brandschutzmaßnahmen (…) wurden in Fachklassen zum damaligen Zeitpunkt sogenannte Knauflösungen verbaut, die Klassenräume verfügen über Schließzylinder und können abgeschlossen werden.“ Heißt das jetzt, dass alle Türen abschließbar sind? Das würde der Darstellung der Lehrerinnen und Lehrer widersprechen.
Schuldezernentin Reifenberg bietet Realschule Plus Unterstützung an
Nach gängigem Politikersprech klingt das, was Cornelia Reifenberg auf Anfrage dieser Redaktion mitteilen lässt: „Als Schulträger stehen wir an der Seite der Schulleitung der Karolina-Burger-Realschule Plus und bieten unsere Unterstützung bei der Lösung der aktuell anstehenden Fragen an.“ Die langjährige Schuldezernentin bietet also Unterstützung an bei der Behebung von baulichen Missständen, für die sie grundsätzlich einen großen Teil der Verantwortung trägt? Schon im zweiten Satz ihrer Stellungnahme verweist sie aber auf die Bereiche, für die sie selbstverständlich nicht die erste Ansprechstelle ist. Es gebe da eindeutige Regelungen für die Zuständigkeiten von Land und Stadt.
Sie fügt an, dass sie die große Verunsicherung bei Lehrkräften, Schülern und Schülerinnen sowie bei Eltern sehe, die es verdienten, dass sich alle Beteiligten für sie starkmachen. Sie nehme die Sorgen, die an die Stadtverwaltung herangetragen würden, sehr ernst und wolle schnellstmöglich Abhilfe schaffen. Erste Gespräche mit der Schulleitung hätten dazu auf Arbeitsebene bereits stattgefunden.
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