Ludwigshafen. Der Bericht dieser Zeitung über die desaströsen Zustände an der Ludwigshafener Karolin-Burger-Realschule Plus vom Montag zwingt das Mainzer Bildungsministerium zum Handeln. Am Mittwoch will sich der rheinland-pfälzische Bildungsminister Sven Teuber (SPD) selbst vor Ort ein Bild von der Situation machen. Sein Besuch ist nach Informationen dieser Redaktion für 12 Uhr geplant. Wie lange er in Mundenheim sein und ob er sich auch die Toiletten an der Schule ansehen wird, ist nicht bekannt. Gerade die WC-Kabinen bilden an der Schule einen weiteren Brennpunkt, der in der bisherigen Berichterstattung noch gar nicht zur Sprache gekommen ist.
So steht in einem Schreiben des Kollegiums an die Dienstaufsicht, das im Juni verfasst wurde, dass im Klo unhaltbare Zustände herrschten. Überschwemmungen, großflächige Verunreinigung der Wände mit Fäkalien et cetera. Die Lage im Keller sei sogar noch schlimmer: Regelmäßig würden Kellerräume als Toilettenersatz für das kleine und große Geschäft genutzt. Teilweise nähmen Lehrer mitsamt ihrer Klasse einen anderen Kellerzugang, da die frischen Urinlachen nicht zu überspringen seien, heißt es in dem Brief, der den Bildungsbehörden in Rheinland-Pfalz seit Juni vorliegt.
18 Gefährdungsanzeigen liegen Schulaufsichtsbehörde vor
„Geschockt, überrascht, erleichtert“ – eine Lehrkraft der Karolina-Burger-Realschule Plus hat die Reaktionen auf die Berichterstattung aus dem Kollegium am Dienstag in drei Worten zusammengefasst. Endlich nimmt sich jemand des Themas an – das sei der Tenor gewesen. Auch die Schulaufsichtsbehörde hat am Dienstag reagiert und die seit vergangenen Donnerstag vorliegenden Fragen dieser Redaktion in feinem Verwaltungsdeutsch beantwortet. Auf die genannte Toilettenfrage ist eine Sprecherin insofern eingegangen, als sie schrieb, dass nach Eingang der Gefährdungsanzeigen „entsprechende Maßnahmen eingeleitet“ worden seien. Gefährdungsanzeigen sind Schriftstücke, die von Lehrern an die Schulleitungen gerichtet sind. Sie sind ein Instrument, um Arbeitgeber zum Handeln zu zwingen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern und den Schutz der Beschäftigten zu gewährleisten.
18 dieser Gefährdungsanzeigen von einzelnen Lehrkräften lägen der Schulaufsicht vor, so die Behördensprecherin. Sie berichtet zwar davon, dass es – wie mit jeder Schule in herausfordernden Lagen – einen regelmäßigen Austausch gebe, konkret umgesetzte Handlungen beschreibt sie aber nicht. „Die Inhalte werden in Gesprächen innerhalb der ADD (die Aufsichtsbehörde, Anm. d. Red.) sowie mit dem Bildungsministerium und dem Schulträger thematisiert, um notwendige Maßnahmen ergreifen zu können“, heißt es da. In der Schule sind diese Maßnahmen nach Ansicht von Lehrkräften bisher nicht angekommen.
Schulaufsicht verweist beim Thema Sicherheit auf die Stadt Ludwigshafen
Was die Sicherheit an der Schule betrifft, so schiebt die Schulaufsichtsbehörde den Schwarzen Peter der Stadt Ludwigshafen hin. Alle Klassensäle in Rheinland-Pfalz sollten so ausgestattet sein, dass die Lehrkräfte sie bei Gefahrenlage von innen verschließen können, so die Sprecherin der ADD. Die Stadt sei als Schulträger dafür zuständig. Von Seiten der Ludwigshafener Stadtverwaltung gab es auch am Dienstag keine Antwort auf am vergangenen Donnerstag (!) verschickte Fragen dieser Redaktion. Diese betrafen unter anderem den Punkt, warum am Tag des Amokalarms am Mittwoch nicht alle Räume von Lehrkräften abgeschlossen werden konnten.
Wann die Stadtverwaltung die Fragen beantwortet, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht bekannt. Und insofern auch nicht, wie oft Schüler der Karolina-Burger-Realschule Plus missbräuchlich den Feuermelder aktivieren. Bei der Schulaufsicht weiß man immerhin, dass sich diese Vorkommnisse in jüngster Zeit gehäuft haben – und somit auch die automatisierten Einsätze der Feuerwehr. Von der Stadt wollte diese Redaktion wissen, wie teuer diese Einsätze in Summe waren. Die fehlende Antwort betrifft auch diesen Aspekt. Die Schulaufsicht weiß immerhin, dass die Schülerinnen und Schüler regelmäßig von ihren Klassenlehrern für die Folgen von Fehlalarmen sensibilisiert würden. Gefruchtet hat diese Sensibilisierung zuletzt offensichtlich immer weniger.
Schulleiter hat laut Aufsichtsbehörde völlig richtig gehandelt
Eine weitere Frage, die diese Redaktion an die Schulaufsicht adressiert hat, betraf den Schulleiter Oliver Kästel. Dieser hatte sich nach bisher unwidersprochenen Informationen am Tag des Amokalarms erstmals um 18.59 Uhr per Mail an die Eltern und Schüler gewendet, während die Eltern der Gymnasiasten von der Nachbarschule, dem Heinrich-Böll-Gymnasium, bereits seit zirka 12.40 Uhr per App-Nachricht auf der Höhe des Geschehens waren. Warum diese eklatanten Unterschiede? Die Schulbehörde weicht hier aus: „Die Sicherheit der Schülerinnen und Schüler hat in solchen Fällen höchste Priorität“, so die Sprecherin. Die festgelegten Abläufe bei schulischen Krisenfällen seien eingehalten worden. Eine umfassende Sachstandsanalyse habe ergeben, dass alle notwendigen Informationen so früh wie möglich veranlasst wurden. Aus dem eigenen Kollegium gibt es hingegen Stimmen, die behaupten, dass der Schulleiter abgetaucht und seiner Aufgabe an diesem Tag nur unzureichend nachgekommen sei.
Dass es an Kommunikation zwischen der Schulaufsicht und dem Personalrat der Schule gemangelt habe, weist die Behörde zurück. Über das Schreiben des Gremiums vom Juni habe ein Austausch mit den betreffenden Vertretern und Vertreterinnen stattgefunden. Nach dem Messerangriff vom 28. Mai habe die Möglichkeit bestanden, einen Studientag in Zusammenarbeit mit der Polizei über sicherheitsrelevante Fragen durchzuführen. Der schulpsychologische Dienst sowie die Notfallseelsorge seien eingebunden gewesen. Beim Krankenstand habe es im laufenden Schuljahr und zuvor keine signifikanten Auffälligkeiten unter den 58 Lehrkräften gegeben. Er liege wie bei vergleichbaren Schulen bei 2,3 Prozent.
Also doch alles ganz harmlos und die Lage komplett unter Kontrolle? Diesen Eindruck will die Schulaufsichtsbehörde trotz unerträglicher Vorkommnisse vermitteln. Wichtig ist der ADD der Hinweis, dass ein Zusammenhang zwischen hohem Migrationsanteil und innerschulischen Problemen nicht zwingend ist. 86,5 Prozent der Jugendlichen an der Karolina-Burger-Realschule Plus haben nach Zahlen der Behörde eine Migrantengeschichte in ihrer Familie. Der weit überwiegende Teil der Kinder habe jedoch die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Behörde warnt insofern vor pauschalen Aussagen über die Gründe für die herausfordernde Situation. Womöglich weiß Bildungsminister Sven Teuber mehr, wenn er Ludwigshafen am Mittwoch wieder verlässt.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Schule vor dem Kollaps: Warum jetzt gehandelt werden muss