Ludwigshafen. Die bisweilen dramatische Finanzlage der Stadt Ludwigshafen bietet im Abstand von wenigen Monaten Anlass für Blut-Schweiß-und-Tränen-Apelle einer Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck (SPD), die sich und ihre Verwaltung in Krisenzeiten vielen Herausforderungen gleichzeitig gegenübersieht. Schauplatz für eine dieser Reden war am Dienstag der Hauptausschuss, der sich mit der Frage konfrontiert sah, inwiefern der bisher nicht genehmigte Haushaltsplan für das Jahr 2022 am Ende doch noch die Zustimmung der Aufsichtsbehörde des Landes (ADD) bekommen kann. Dazu präsentierte Kämmerer Andreas Schwarz (SPD) ein nochmal gänzlich überarbeitetes Papier, das nun statt 114 Millionen Euro Fehlbedarf im Ergebnishaushalt „nur“ noch knapp 59 Euro Millionen Euro für das laufende Jahr ausweist. Noch stärker als zuvor orientiert sich das Zahlenwerk nun an den Ist-Zahlen der Vor-Corona-Jahre und überdies am Datum der Kassenwirksamkeit geplanter Ausgaben.
Gretchenfrage Grundsteuer
Gängige Praxis ist es nicht nur in Ludwigshafen, gewisse Puffer in die Haushalte einzubauen. Das bedeutet, dass anstehende Investitionen, die erst in den kommenden Jahren tatsächlich geleistet werden, schon in die Etats eingearbeitet werden, so dass das Ergebnis am Ende positiver ausfällt, als es geplant war. Dieser Praxis wird nun entgegengewirkt. Der Haushalt soll damit ein authentischeres Bild abgeben.
Was bedeutet Grundsteuer?
- Die Grundsteuer ist in Deutschland eine Steuer auf das Eigentum, aber auch auf Erbbaurechte an inländischen Grundstücken und deren Bebauung, die der Eigentümer zu zahlen hat. Auf Mieter kann sie umgelegt werden. Die Grundsteuer ist eine wichtige Einnahmequelle der Gemeinden, mit einem bundesweiten Aufkommen von rund 14 Milliarden Euro im Jahr 2020.
- Durch die Erhöhung der Grundsteuer B auf einen Hebesatz von 525 könnte die Stadt Ludwigshafen in diesem Jahr laut ihrem Kämmerer neun Millionen Euro mehr einnehmen. Letztlich entschieden wird das am 25. April im Stadtrat.
Auch auf diese Weise konnte Schwarz am Dienstag einen um 56 Millionen Euro reduzierten Ergebnishaushalt präsentieren. Die Gretchenfrage, die sich stellte, bestand darin, ob die Mitglieder der Fraktionen im Hauptausschuss einer erhöhten Grundsteuer zustimmen würden. Angesichts der Sozialstrukturen in Ludwigshafen wollte man parteiübergreifend an dem im Dezember-Kompromiss festhalten, den Hebesatz von 420 auf 487 (wie in Mannheim) steigen zu lassen. Aufgrund geltender Rechtslage machte die ADD nun klar, dass dieser Satz auf mindestens 525 steigen müsse, damit man eine Genehmigung erteilen könne. In Summe bedeutet das Mehreinnahmen von etwa neun Millionen Euro, sagte Kämmerer Schwarz. Hintergrund für den Druck der ADD ist, dass das Land den Kommunalen Finanzausgleich neu strukturieren will. Das bedeutet, dass Ludwigshafen das fast unglaubliche Ziel erreichen soll, zu ausgeglichenen Haushalten zu kommen. Für diesen Fall hat das Land unter anderem schon jetzt zugesagt, in den kommenden zwei Jahren 50 Prozent der Ludwigshafener Altschulden zu übernehmen. Schwarz will auf die Übernahme aller Schulden hinarbeiten. Dafür muss die Stadt nach Auffassung der Aufsichtsbehörden zeigen, dass sie effizient und wirtschaftlich zu arbeiten im Stande ist und größte Kraftanstrengungen unternimmt.
Den Mitgliedern des Ausschusses gefällt dieser Druck der ADD bis auf wenige Ausnahmen nicht. Bis auf Johannes Thiedig (AfD) nahmen alle Sprecher der jeweiligen Fraktionen das Wort Erpressung in den Mund. Die meisten plädierten dafür, dem Haushaltsplan zuzustimmen, aber nicht der Grundsteuererhöhung. Immerhin sei das Gros der Ludwigshafener Finanzprobleme vom Land gemacht, weil die Stadt ganz andere Lasten trage als andere Kommunen, dafür aber nicht fair entschädigt werde.
Rolle rückwärts nach Appell
Noch während der laufenden Sitzung griff OB Jutta Steinruck schließlich zum Mobiltelefon und fragte erneut bei der ADD nach, ob man sich auf einen Hebesatz von 487 verständigen könne. Aus Trier kam prompt ein klares „Nein“. Nun war es Zeit für für einen flammenden Appell: Sollten die Grundsteuererhöhung, die vor allem die Besitzer von Wohnungen und Häusern trifft, nicht das Votum des Rates bekommen, dann werde es weiter keine Genehmigung des Haushalts geben, warnte Steinruck.
Mit leidenschaftlichen Worten und hoher Stimmfrequenz machte sie deutlich, was das für Schwimmbad, Theater, Bibliotheken et cetera bedeuten würde, wenn die Stadt kein Geld mehr auszahlen dürfe. Nach einer 25-minütigen Sitzungspause machte schließlich zunächst die SPD mit Fraktionschef David Guthier die Rolle rückwärts. Man wolle der Grundsteuerhöhung nun doch zustimmen. Grünes Forum und Piraten taten dasselbe und die Grünen-Fraktion ebenfalls. Enthalten haben sich FWG und die CDU. Man wolle das bis zur Ratssitzung am 25. April nochmal diskutieren.
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