Gedenken

Zum Verhör beim „Schlächter von Lyon“

Volker Ochs hat für das digitale Gedenkbuch Informationen und Dokumente zum Schicksal Sally Franks zusammengetragen. Ochs ist gebürtiger Lampertheimer, genauso wie Sally Frank

Von 
Susanne Wassmuth-Gumbel
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In der Wilhelmstraße erinnern Stolpersteine an Sally Frank und seine Familie. © Nix

Lampertheim. Für den Lampertheimer Sally Frank kam die Rettung zu spät, als die Rote Armee am 27. Januar 1945 das Konzentrationslager Auschwitz befreite. Der 1909 im rheinland-pfälzischen Kusel geborene Mann jüdischen Glaubens war schon im Juni 1943 deportiert und ermordet worden. Sein genaues Sterbedatum ist nicht bekannt. Im digitalen Gedenkbuch, das die Stadt Saarbrücken Anfang des Jahres freigeschaltet hat, wird der 23. Juni 1943 als Franks Todestag genannt.

Dieses Gedenkbuch erinnert an Jüdinnen und Juden, die im Saarland gelebt haben. Es nennt die Namen der vielen Holocaust-Opfer und bietet Recherche- und Informationsmöglichkeiten. Volker Ochs hat für das digitale Gedenkbuch Informationen und Dokumente zum Schicksal Sally Franks beigesteuert.

Ochs ist gebürtiger Lampertheimer, lebt und arbeitet aber schon seit vielen Jahren in Saarbrücken. Gemeinsam mit Karl Klemm hat er die Schicksale von Lampertheimer Verfolgten während der Zeit des Nationalsozialismus erforscht und in dem Büchlein „Der Erinnerung Namen geben“ zusammengetragen hat. Seit Jahrzehnten recherchiert er zu den Opfern und immer wieder finden sich neue Puzzlestücke, die das Bild etwas abrunden und bisherige Vermutungen absichern. So kann er inzwischen auch über das Schicksal Sally Franks mehr berichten, als noch vor drei Jahren, als für die Familie Frank Stolpersteine in der Wilhelmstraße verlegt wurden.

Die von dem Künstler Gunter Demnig gefertigten Gedenktäfelchen erinnern an Sally Frank und seine in Lampertheim geborene Mutter Berta, mit der er in den 1920er und 1930er Jahren in der Wilhelmstraße 67 lebte, an seine ebenfalls dort wohnhafte Schwester Erika und deren Sohn Werner. Auch sie wurden von den Nazis umgebracht.

Die Recherchen von Volker Ochs haben ergeben, dass Sally Frank 1933 zunächst wegen seiner politischen Aktivitäten verfolgt wurde. Ochs nimmt an, dass Frank auf der sogenannten Schwarzen Liste der zu verhaftenden politischen Gegner stand, weil er vermutlich KPD-Mitglied und „politisch sehr umtriebig“ war. Als am 6. März 1933 etwa 50 ortsbekannte Lampertheimer Kommunisten ins KZ Osthofen gebracht wurden, war Sally Frank bereits auf dem Weg ins Saarland, in Neunkirchen/Saar war er ab dem 22. März 1933 gemeldet. Damals flüchteten viele politisch Verfolgte ins vermeintlich sichere Saarland, das bis 1935 noch unter der Verwaltung des Völkerbundes stand. Aus den Meldedaten geht hervor, dass Frank auch in Saarlouis und in Saarbrücken gelebt hat.

Flucht nach Frankreich

Nach den Novemberpogromen 1938 war es auch im Saarland nicht mehr sicher: Franks Spur führt nach Frankreich, in Belfort schloss er sich der Fremdenlegion an. Nach der Teilbesetzung Frankreichs 1940 waren Juden auch in diesen Gebieten nicht mehr sicher. Frank ging nach Toulouse, damals eine Hochburg des Widerstands. Weil er, so vermutet Ochs, als Kurier tätig war, kam Frank nach Lyon, wo die Nazis beziehungsweise die Gestapo regelrecht Jagd auf Juden machten. Aus französischen Dokumenten geht hervor, dass Frank von Klaus Barbie, dem berüchtigten „Schlächter von Lyon“, verhört wurde. Danach kam er ins Sammellager Drancy bei Paris, von wo aus Zehntausende Juden in die deutschen Vernichtungslager verbracht wurden. Frank wurde im Juni 1943 mit dem Konvoi 55 – dem letzten aus Drancy – nach Auschwitz in den Tod deportiert.

Der 1932 geborene Neffe von Sally Frank, Hans Frank, hat den Holocaust überlebt, weil er adoptiert worden war. Er lebt als Frederik Rosenbaum hochbetagt in den USA und hat, wie Ochs berichtet, die Aufarbeitung an der Familiengeschichte inzwischen abgeschlossen. Seine Tochter war 2020 zur Stolpersteinverlegung nach Lampertheim gekommen.

Redaktion Susanne Wassmuth-Gumbel ist seit 2000 Redakteurin beim Südhessen Morgen und für die Ausgabe Lampertheim zuständig. Themenschwerpunkte sind Arbeit und Soziales, Familie und Senioren sowie Kommunalpolitik.