Lampertheim. Virtuosität lässt Jochen Steuerwald erst im Finale seines Konzerts walten. Zuvor dominieren kammermusikalische und vorwiegend manuale Preziosen, die ihre Komponistin Maria Anna Martinez als gelehrige Schülerin Joseph Haydns und damit als Vertreterin der Wiener Klassik auszeichnen. Im zweiten Konzert dieses 16. Lampertheimer Orgelsommers setzt der Speyerer Landeskirchenmusikdirektor am Sonntagabend vor allem auf die solistischen Qualitäten der Domorgel.
Konzerttermin
Das nächste Konzert des Lampertheimer Orgelsommers am Sonntag, 16. August, 20 Uhr, spielt der Dresdener Domorganist Johannes Trümpler.
Auf dem Konzertprogramm stehen Werke von Sigfrid Karg-Elert, Louis Vierne, Johann Sebastian Bach, Jeanne Demessieux und Nicolas de Grigny.
Sitzplätze in der Domkirche können unter Telefon 06206/15 73 01 oder E-Mail heikeittmann@gmail.com reserviert werden (keine Abendkasse).
Spenden am Konzertausgang sind erwünscht. urs
Liebliches Melos verziert den ersten Teil des Programms, das Steuerwald mit dem fröhlichen Eingangsmotiv von Martinez’ E-Dur-Sonate beginnt. Das Andante mit seinen sanft perlenden Flötenstimmen besticht durch Schlichtheit und Anmut, während der Organist das Allegro im Finale temperamentvoll ausgestaltet. Wieder zeigt die Vleugels-Orgel ihre Vorliebe fürs klassisch-romantische Repertoire, das sie mit lichter Kantabilität würdigt.
Filigrane Klangmuster
Mit den Variationen über das französische Volkslied „Ah! Vous dirai-je, maman“ von Christian Heinrich Rinck wird der Klang dichter und variabler. Jochen Steuerwald nutzt die stilistischen Kontraste zwischen den einzelnen Sätzen zur Ausdifferenzierung der einzelnen Register. Der Organist webt filigrane Klangmuster, doch auch die sonore Bassposaune lässt sich immer wieder vernehmen. Das zwischen Dur und Moll changierende Stück wird im Finale chromatisch aufgebrochen. Steuerwald entfaltet dieses harmonische Vexierspiel mit energischem Zugriff und viel Gespür für das orchestrale Potenzial des Instruments.
Ungetrübte Harmonieseligkeit kennzeichnet hingegen auch die A-Dur-Sonate von Maria Anna Martinez; ein dreisätziges Stück, das Jochen Steuerwald wie eine Flötenuhr aufzieht und munter abschnurren lässt – um sie mit der spätromantischen Expressivität dreier Improvisationen der französischen Komponistin Nadia Boulanger zu konfrontieren. Dynamische Steigerungen und klangliche Verdichtungen tragen auch in diesen Werken die Melodie wie auf Flügeln. Der Organist legt sie auf das Oboen-Register ins Schwellwerk; dort löst sie sich gleichsam in schwebend-irisierenden Frequenzen auf.
Mystische Schwingungen
Aus der zweiten Symphonie Louis Viernes spielt Steuerwald lediglich die beiden vorletzten Sätze. Dem Cantabile fehlt hierdurch die Kontrastwirkung zum vorhergehenden Scherzo; gleichwohl lässt der Kirchenmusiker die Oboe abermals lyrisch singen und sorgt für intime Klangnuancen, während sich die mystischen Schwingungen in der für symphonische Werke doch eher trockenen Akustik der Lampertheimer Domkirche nicht verströmen können. Der ekstatisch vorgetragene Schlusssatz erweist sich als würdiges Finale eines Konzertprogramms, das bis dahin keine starken Zugkräfte entfaltet hatte.
Die Humoresque „L’organo Primitivo“ von Pietro Yon gibt Jochen Steuerwald zu. Er nimmt die Gattungsbestimmung dieses Stückes des amerikanischen Komponisten italienischer Herkunft durchaus ernst. Dem Publikum in der Domkirche entgehen die von verschmitztem Humor kündenden Pointen im figurativen Spiel jedenfalls nicht. In den kräftigen Applaus für den sympathischen Speyerer Organisten mischen sich denn auch Spuren von Heiterkeit.