Bildung

Lampertheimer Gymnasium: Auch ohne Handy smart

Wie lassen sich Kinder und Jugendliche besser vor Fake News, Hasskommentaren und Cybermobbing schützen? In Hessen sollen Lehrer künftig Handys einkassieren. Im Lessing-Gymnasium ist das schon Praxis.

Von 
Stephen Wolf
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„Digitale Held(innen)“: Leni Basler, Layla Landgraf, Lena Lippert, Leonie Strauß und Hannah Thiel (v.l.). © Berno Nix

Lampertheim. Und jetzt bitte die Smartphones wegpacken! Was im kommenden Schuljahr in Hessen gesetzlich geregelt werden soll, gilt längst am Lessing-Gymnasium in Lampertheim. Kinder und Jugendliche können ihre Geräte zwar mit in die Schule nehmen, die private Nutzung ist jedoch weitgehend tabu.

Dass die Schule damit nur für einen begrenzten Zeitraum Einfluss auf die Kinder und Jugendlichen hat, ist dem stellvertretenden Schulleiter Jérôme Dath bewusst. „Wir können ja nicht dauerhaft vermeiden, dass Schülerinnen und Schüler beispielsweise Fake News oder sonstige Inhalte zweifelhafter Natur konsumieren“, gibt der 45 Jahre alte Pädagoge zu bedenken. Doch während der Schulzeit gehe es darum, dass Smartphones oder andere digitale Geräte den Tagesablauf möglichst wenig beeinträchtigen. Das wiederum könne auf ganz unterschiedliche Weise geschehen, sagt Dath.

Schüler der Oberstufe können selbstverantwortlich handeln

Unter anderem gehe es darum, dass die Smartphones nicht den Schulalltag beeinträchtigen. Beispielsweise, wenn Filme kursieren, die Schüler in peinlichen Situationen zeigen. Oder wenn Kinder und Jugendliche mit Hilfe von Kurznachrichtendiensten ausgegrenzt oder verspottet werden. Um solche Situationen zu verhindern, müssen die Lampertheimer Gymnasiasten ihre Handys in der Tasche lassen. Wer sein Gerät dennoch auf dem Pausenhof oder im Klassenzimmer nutzt und ertappt wird, muss es abgeben.

Gesetzentwurf im Landtag

  • Hessens Regierungsfraktionen von CDU und SPD wollen einen Gesetzentwurf zu Handyregeln an Schulen am Donnerstag, 27. März, in den Landtag einbringen.
  • Bildungsminister Armin Schwarz (CDU) erklärte: „Wir handeln jetzt in Hessen, weil es keine Zeit zu verlieren gibt, und setzen damit bundesweit Maßstäbe.“ Sein Ministerium ergänzte, außer Hessen habe bisher nur Bayern ähnliche Regeln. Baden-Württemberg hatte jüngst mitgeteilt, den Handygebrauch in Schulen einschränken zu wollen. wol

In der Oberstufe können Schülerinnen und Schüler ihre Telefone allerdings nutzen. Vor allem sie seien oftmals den gesamten Tag über in der Schule, argumentiert Jérôme Dath. „Bei ihnen handelt es sich ja beinahe um Erwachsene. Insofern gestehen wir ihnen einen bewussten Umgang mit den Geräten zu.“ Gleichwohl gelte das nur in bestimmten Bereichen der Schule. Das neue Konzept aus Wiesbaden sieht ebenfalls solche „Smartphone-Schutzzonen“ vor. „Das Vorhaben der Landesregierung wirkt wie eine Kopie dessen, was zahlreiche Schulen heute schon praktizieren“, sagt der Pädagoge und sieht den Kurs des Gymnasiums bestätigt.

Kritik vom Elternbeirat des Landkreises

Die schwarz-rote Koalition hat einen Nerv getroffen. Schon seit Jahren kreisen Diskussionen um die Frage, wie sich Kinder und Jugendliche besser vor Fake News, Hasskommentaren oder Cybermobbing schützen lassen. Für die Entscheidung aus Wiesbaden gibt es gute Gründe, wie Pädagogen hervorheben.

Nicht zuletzt, weil die Konzentration darunter leidet, wenn junge Menschen während des Unterrichts auf Kurznachrichten der Freunde warten. Neben den Befürwortern meldeten sich auch Kritiker des Vorhabens. So hatte beispielsweise der Elternbeirat im Kreis Bergstraße, betont, ein Verbot sei nicht zielführend. Vielmehr sei eine frühzeitige Medienbildung wünschenswert. Statt Verboten brauche es klare und praktikable Regeln.

Im Lessing-Gymnasium können Lehrkräfte auch Freigaben für die Nutzung von Smartphones erteilen, etwa wenn bestimmte Informationen für den Unterricht recherchiert werden müssen. © picture alliance/dpa

Im Lessing-Gymnasium sieht man das ähnlich. „Es ist klar, dass ein überzogenes Handyverbot schwer zu vermitteln wäre“, ist Pädagoge Jérôme Dath überzeugt. So komme es auf eine gewisse Balance an. Daher hat man sich dort schon vor Jahren nicht nur auf ein Verbot verständigt, sondern auch der Aufklärung einen hohen Stellenwert eingeräumt. So werben „Digitale Helden“ im Lessing-Gymnasium beispielsweise für einen fairen Umgang der Kinder im Klassenchat. „Zu unseren Aufgaben gehört beispielsweise auch der kritische Umgang mit Inhalten in sozialen Medien“, erzählt die 19 Jahre alte Leonie Strauß. Sie gehört der Gruppe an, die aktuell aus zehn Schülerinnen besteht. In diesem Zusammenhang sei beispielsweise auch das Recht am eigenen Bild wichtig, wie die Abiturientin hinzufügt.

Auch wollen die „Digitalen Helden“ ein positives Miteinander in der Schulgemeinschaft fördern. So werden beispielsweise sinnvolle Regeln gemeinsam mit den Kindern für die Klassenchats erarbeitet. „Wir besuchen die Klassen in der Regel, wenn es dort ein Problem gab“, betont Hannah Thiel. So sei der Umgangston auf einer Schule entscheidend, vor allem in aufgewühlten Zeiten. Auch informiere man bei Elternabenden über aktuelle Trends im Internet. Etwa darüber, was sich gerade auf der Plattform TikTok tut und wo mögliche Gefahren für Kinder drohen.

Eltern ist die Erreichbarkeit ihrer Kinder wichtig

Der Zusammenarbeit mit Müttern und Vätern kommt besondere Bedeutung zu, wie die Lehrerin Stephanie Ulber sagt. Sie ist an der Lampertheimer Schule unter anderem für Medienbildung zuständig. Sie weiß, dass es manchmal nicht einfach ist, die Eltern zu überzeugen.

Wenn ein Handyverbot im Schulgesetz verankert ist, dürften auch die Diskussionen mit Schülern oder Eltern weniger werden. Schließlich können Lehrer dann auf die gesetzliche Lage hinweisen. „Wichtig ist, dass es weiterhin Spielräume gibt, etwa wenn es um die Erreichbarkeit der Kinder geht“, sagt Ulber. Das sei für viele Eltern ein zentraler Punkt.

Redaktion

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