Bahnhof

Graffiti in der Lampertheimer Bahnhofsunterführung übertüncht

Die Bahn kann noch nichts dazu sagen, aber auffällig ist es schon, dass das Kinderrechte-Graffiti in der Lampertheimer Bahnhofsunterführung just dann entfernt wurde, als der Bundesverkehrsminister die Riedbahn inspizierte

Von 
Susanne Wassmuth-Gumbel
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Graffiti-Künstler Tobias Kilian (Vierter v.l.) hat im vergangenen Sommer mit Lampertheimer Jungen die Bahnhofsunterführung farbenfroh gestaltet. © Rosi Israel

Lampertheim. Schön bunt und mit hintergründiger Botschaft: So haben Lampertheimer Jugendliche im Sommer vergangenen Jahres die Unterführung am Bahnhof gestaltet. Gemeinsam mit dem Graffiti-Künstler Tobias Kilian alias Rise One hatten sie im Rahmen eines Ferienspiel-Workshops eine Wand in der Unterführung besprüht. Und zwar nicht irgendwie, sondern mit einem selbst entworfenen Bild zum Thema Kinderrechte. „Stop! Kinder haben das Recht auf Schutz vor Gewalt“, heißt es da. Die Wand ist Teil eines größeren Projekts der Kinderfreundlichen Kommune, bei dem im gesamten Stadtgebiet geeignete Flächen zu den unterschiedlichen Paragrafen der UN-Kinderrechtskonvention gestaltet werden.

Die Jungen, die im vergangenen Sommer an dem Workshop beteiligt waren, Jungen konnten stolz sein auf ihr Werk. Jetzt allerdings ist es quasi über Nacht verschwunden. Die Wände der Bahnhofsunterführung erstrahlen in kaltem Weiß. Dass das etwas mit dem Besuch von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) in Lampertheim in der vergangenen Woche zu tun hat, ist zwar offiziell nicht bestätigt. Die zeitliche Nähe legt diese Vermutung aber nahe.

Strahlend weiß wurden die Wände in der Bahnhofsunterführung in der vergangenen Woche gestrichen, als der Bundesverkehrsminister zu Besuch kam. © Berno Nix

Wissing war am vorvergangenen Donnerstag mit dem für die Infrastruktur zuständigen Bahn-Vorstand Berthold Huber, dem DB-Netz-Chef Philipp Nagl und vielen anderen Verantwortlichen sowie einem Pressetross mit dem Zug von Frankfurt nach Mannheim gefahren. Dabei ging es um die Generalsanierung der Riedbahn, die für das zweite Halbjahr 2024 geplant ist (wir berichteten). In Lampertheim wurde Station gemacht und das örtliche Stellwerk in Augenschein genommen. Dafür mussten alle aussteigen und durch die Unterführung marschieren.

Damit der hohe Besuch dabei einen guten Eindruck erhielt, wurde offenbar von der Deutschen Bahn im Vorfeld ein Putztrupp losgeschickt. Und der hat ganze Arbeit geleistet: Jedenfalls ist die Graffiti-Kunst verschwunden, die Wände sind wieder weiß und laden geradezu ein zu den sonst üblichen hässlichen Schmierereien. Gegen die wollte die Stadt mit der Spray-Aktion ebenfalls ein Zeichen setzen. Denn im Rahmen von Kompass, dem Kommunalprogramm Sicherheitssiegel des Landes Hessen, ist die Beseitigung von Angsträumen und Dreckecken ein Dauerthema – gerade auch im Bahnhofsumfeld.

Stadt wusste nichts

„Wir als Stadt wussten nicht, dass das Graffito entfernt wird“, sagte Katja Sen am Donnerstagabend in der Sitzung des Sozial-, Bildungs- und Kulturausschusses. Sie ist bei der Ordnungsbehörde der Stadtverwaltung für das Kompass-Programm zuständig und war auch an der Sprayaktion beteiligt. Dass das Graffito dorthin gesprüht wird, sei damals mit der Bahn abgestimmt worden – allerdings nur mündlich, bedauert Sen im Nachhinein. Ob eine schriftliche Vereinbarung die Übermalung verhindert hätte, weiß allerdings in Lampertheim niemand. Sie habe versucht, die Angelegenheit mit der Bahn zu klären. Allerdings habe sie bisher niemanden erreicht, der sich zuständig fühlt.

Auch der „Südhessen Morgen“ hat bei der Pressestelle der Deutschen Bahn in Frankfurt angefragt, was sie dazu sagen kann. Leider brauche die Recherche „etwas mehr Zeit“ lautete die Antwort am Freitagmittag. Vom Bundesverkehrsministerium hieß es lediglich: „Wir haben von dieser Sache keine Kenntnis.“

Sen ist es wichtig, dass die Jugendlichen, die an der Gestaltung beteiligt waren, wissen, dass nicht die Stadt das verantwortet. Im Gegenteil: Für sie und die anderen Zuständigen ist klar, dass das Graffiti-Projekt zu den Kinderrechten weitergeht. Jedes Jahr sollen Kinder und Jugendliche eine Fläche im Stadtgebiet mit Tobias Kilian gestalten. Auch in den kommenden Sommerferien wird es wieder eine solche Aktion geben. Der Bahnhof allerdings kommt für Sen nun nicht mehr in Frage. „Wir werden das nur noch auf Flächen machen, die der Stadt gehören“, sagt sie.

Redaktion Susanne Wassmuth-Gumbel ist seit 2000 Redakteurin beim Südhessen Morgen und für die Ausgabe Lampertheim zuständig. Themenschwerpunkte sind Arbeit und Soziales, Familie und Senioren sowie Kommunalpolitik.

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