Ladenburg - Keine Figur mehr auf der Mauer vor der früheren Synagoge / Historiker vermitteln in einer belasteten Situation

Streit um „Weinzwerg“ beigelegt

Von 
Peter Jaschke und Stefan Skolik
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Die Figur auf der Mauer steht nun mehr im Hintergrund des Grundstücks. © Peter Jaschke

Ladenburg. Ein jahrzehntelanger Streit ist beigelegt: Die umstrittene Figur oberhalb der Gedenktafel am letzten Standort der Synagoge in Ladenburg ist dieser Tage friedlich entfernt worden. „Es war ein langer Prozess, aber jetzt bin ich froh und erleichtert, dass sich nicht jedes Mal bei einer Führung Besucher mit jüdischen Wurzeln in Ladenburg über diesen Weinzwerg wundern müssen“, erklärte Ingrid Wagner vom örtlichen Arbeitskreis (AK) Jüdische Geschichte gegenüber dieser Redaktion.

Den Stein des Anstoßes habe der städtische Bauhof kürzlich von der Mauer genommen. Stattdessen stehe dort nun ein Blumenkorb, den Ingrid Wagner „unverfänglicher als den Zwerg“ wahrnehme. Zu dem Sinneswandel der heutigen Gebäudeeigner habe auch der regionalhistorisch bewanderte Hubert Kolkhorst von der Heddesheimer Interessengemeinschaft (IG) Heimatgeschichte als Vermittler beigetragen, berichtet die ehemalige Lehrerin.

Darüber freute sich ebenfalls Ladenburgs Bürgermeister Stefan Schmutz. „Die Initiative war verbunden mit dem Wunsch, eine lange, in Teilen sehr belastete Situation – begleitet von jahrelangen Irritationen, Missverständnissen und Streit endlich aufzulösen“, erklärte Schmutz.

Insbesondere weil hier viel Emotionen im Spiel waren, ist diese Entwicklung bemerkenswert. Schmutz ist den Hauseigentümern und allen weiteren Beteiligten sehr dankbar, die an dieser Lösung mitgewirkt haben. Der „Weinzwerg“, gelegentlich auch als „Gemüse-Fritz“ tituliert, steht auf dem Grundstück nun weiter hinten.

Schlichtung startet vor einem Jahr

Kolkhorst war vor gut einem Jahr von einer Nachbarin, die geschäftlich in Ladenburg tätig ist, auf das strittige Thema aufmerksam gemacht worden. Auch Wagners AK-Kollege, der promovierte Historiker Jürgen Zieher, hatte neben Bürgermeister Schmutz mit den Besitzern gesprochen. Wagner selbst hatte dem Ehepaar unter anderem einen Brief geschrieben.

Die heutigen Eigentümer hatten sich bislang darauf berufen, dass es der ausdrückliche Wunsch des Vorbesitzers und Inhabers eines Gemüseladens gewesen sei, die Figur auch über seinen Tod hinaus an Ort und Stelle zu belassen.

Der geschichtliche Hintergrund: In der Reichspogromnacht auf den 10. November 1938 zerstörten um sechs Uhr morgens SS-Leute die Inneneinrichtung der Synagoge. Aufgrund der Prozessakten des Mannheimer Landgerichts aus dem Jahr 1949 ist es möglich, die Vorgänge exakt zu rekonstruieren. Demnach wurde ein Großteil der Täter nach dem Krieg zur Rechenschaft gezogen. Die demolierte Synagoge verkaufte die Glaubensgemeinde bereits 1939 an ein Ladenburger Ehepaar. Um 1954 wurde das Gebäude umgestaltet, 1967 abgebrochen. Eine 1976 enthüllte Gedenktafel erinnert bis heute am einstigen Standort an die Synagoge.

Bereits der damalige Bürgermeister Reinhold Schulz appellierte an den seinerzeitigen Besitzer, die – vor dem Hintergrund der traurigen Geschichte – zumindest irritierende Figur zu entfernen. Auch seine Nachfolger waren dabei nicht erfolgreich.

Wichtiges Signal

„Der Standort der ehemaligen Synagoge ist eng verknüpft mit dem Gedenken an das jüdische Leben in Ladenburg, das durch die Verbrechen der Nationalsozialisten am 22. Oktober 1940 (die Deportation der letzten 27 Juden aus Ladenburg/Anm. d. Red) unwiederbringlich ausgelöscht wurde“, ist Bürgermeister Schmutz über die jüngste Entwicklung hocherfreut: „Die Entfernung der Figur ist daher insbesondere für alle Betrachter ein wichtiges Signal, die die Figur als Widerspruch gegenüber dieser Erinnerungskultur empfunden haben.“

Freier Autor Peter Jaschke ist freier Mitarbeiter seit 1997 und macht überwiegend regionale Berichterstattung, nimmt aber auch Sport- und Kultur-Termine wahr.

Redaktion Planer Neckar-Bergstraße / Redakteur Ladenburg

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