Ilvesheim - Improvisationstheater "Drama Light" unternimmt im Dunkeln eine Reise in den Frühling

Lachs mit Flipflops sucht Inge im Schwarzen Salon

Von 
Dietmar Thurecht
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Drama Light (v. l.) Pianist Andreas Rathgeber, Sabine Strobach, Tabea Herion und Jens Wienand.

© dithu

Als mich Sophie in den Theaterraum führt, sehe ich schwarz. Entzöge sie mir jetzt ihren Arm, ich wäre hoffnungslos verloren. Doch dieses Gefühl ist im "Schwarzen Salon" der Schloss-Schule Ilvesheim so gewollt. Nichts zu sehen gibt es hier für die Besucher, aber viel zu erleben - in einer anderen, aber keinesfalls ärmeren Welt.

Die Mitwirkenden

Bei der Vorstellung von "Drama Light" geleiteten die Schloss-Schüler Sophie, Sayon und Adrian die Besucher.

Thekendienst im Dunkeln hatten Julia und Max.

Von Drama Light agierten Tabea Herion, Sabine Strobach, Jens Wienand und Andreas Rathgeber im "Dunklen Salon".

Gunter Bratzel, Leiter der Theater-AG der Schloss-Schule, lädt schon seit rund zwölf Jahren unter dem Motto "Kultur im Dunkeln" Künstler ein. Auch für diese ist die Dunkelheit eine besondere Herausforderung. Zuletzt am Mittwoch für das Improvisations-Theater "Drama Light" aus Mannheim, das mit seinem Programm "Frühlingserwachen" den Winter verabschieden wollte. Sehr zur Freude vieler Schüler, für die "Drama Light" jedes Jahr ein Höhepunkt im Veranstaltungskalender darstellt.

Die Besucher werden aufgefordert, den Akteuren Begriffe zuzurufen, die sie mit dem Begriff Frühling verbinden. "Eiskugel", "Sonnenbad" oder "Inge" dringt es durch die Dunkelheit. Und schon beginnt ein besonderes Hör-Erlebnis. Ein Schmetterling im bunten Kleid, das leider nicht mitwachsen will. Ein Lachs, der in Flipflops durch den Theatersaal flaniert.

Die Fantasie wird beflügelt

Viele Begriffe werden von den Schauspielern in ihr "Hörbuch" aufgenommen. Die Fantasien der Zuhörer werden beflügelt - Stichwort Inge -, unterschiedlichste Bilder entstehen vor dem inneren Auge. Fasziniert sind die Gäste, stellen sie fest, dass die Stimme, die eben noch von links unten kam, plötzlich von rechts oder hinten ertönt. Handelt es sich hier um technische Tricks? Keineswegs! Die Akteure, die auch absolut nichts sehen, bewegen sich tatsächlich im Raum, als spielten sie auf einer sonnigen Blumenwiese und tollten dort herum. Ein Konzept für eine Improvisations-Theater-Veranstaltung gibt es nicht. Proben sind nicht möglich, aber die Truppe kennt sich mittlerweile so gut, dass jeder erkennt, wie der Andere heute tickt. Auf diese Erfahrung können die Akteure bauen und so eine originelle Vorstellung geben.

Das Gefühl im Salon ist eigenartig. Sobald man den Raum betritt, werden alle Sinne aktiviert. Ich fühle das Holz der Stühle und die geschwungenen Lehnen. Ich höre das Atmen der Menschen um mich herum. Die Sitzplatz-Nachbarin vertilgt zusammen mit ihrer Tochter Chips - und wohl selten stieg mir der Geruch von Fett und Gewürzen so intensiv in die Nase.

Alles ist anders

Und unterhalten sich die Menschen hier besonders laut, weil sie nicht sehen, ob der Nachbar noch zugegen ist? Oder klingt alles nur viel lauter? Alles ist so anders! Aber weder bedrückend noch beängstigend. Einfach interessant. Eines geht im Dunkeln fast augenblicklich verloren: das Zeitgefühl. Sitze ich erst wenige Minuten oder verzögert sich der Start des Theaterstückes schon um eine halbe Stunde? Einfach einmal auf visuelle Eindrücke verzichten zu müssen, verändert viel. Gerne verlasse ich mich auch das nächste Mal wieder auf Sophie, Sayon, Adrian oder deren Schulkameraden, wenn sie mich für neue Erfahrungen wieder in den Schwarzen Salon führen.

Freier Autor

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