Ilvesheim. Fünf Hektar, 13 Gebäude, „ein Dorf“ – diese Worte wählt Stephanie Liebers, wenn sie die Schlossschule in Ilvesheim beschreibt. Die Direktorin hat an diesem Vormittag hohen Besuch zu Gast. Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder ist aus Karlsruhe gekommen, um sich die Bildungseinrichtung anzuschauen. In der Schlossschule werden blinde und sehbeeinträchtigte Kinder unterrichtet. Der vollständige Name der Schule lautet „Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ) mit Internat Förderschwerpunkt Sehen“.
In Ilvesheim bietet die Schlossschule auch vielfältige Beratung an
Doch was hat es mit diesem Titel genau auf sich? Die Schlossschule ist nicht nur eine Unterrichtsstätte mit Internat, sondern auch ein Kompetenzzentrum. So befindet sich im Schloss das Medienberatungszentrum (MBZ), in dem die Schule neue Technologien für Blinde und Sehbehinderte erprobt, Lehrmittel für sie „übersetzt“ sowie andere Schulen und Eltern in zahlreichen Themen berät. Ein wichtiger Teil des schulischen Auftrags besteht daher nicht nur aus dem Unterricht im eigenen Haus, sondern auch in der Beratung von allgemeinen Schulen.
Ein Beispiel: Welche Hilfsmittel und Anpassungen benötigt ein sehbehindertes Kind, das gemeinsam mit Kindern ohne Beeinträchtigung eine Regelschule besucht? Eine weitere Frage, in der die Expertinnen und Experten der Schlossschule häufig konsultiert werden, ist folgende: Wie viel mehr Zeit muss man einem blinden oder sehbehinderten Schüler an einer allgemeinen Schule für eine Klassenarbeit geben?
Bei ihrem ersten Besuch in Ilvesheim zeigte sich Felder beeindruckt von der Arbeit, die vor Ort geleistet wird. „Wenn es sie nicht schon gäbe, müsste man sie glatt erfinden“, sagt sie. Zum Abschluss ihres Rundgangs hatte sie in ebenjenem MBZ eine Augenbinde aufgesetzt und einige Tests absolviert, die man sonst blinden und sehbehinderten Schülern stellt. „Anspruchsvoll“ seien diese Prüfungen gewesen, findet Felder. „Es strengt an und ich habe viel Zeit gebraucht“, sagt sie.
Enge Verbindung zwischen Schlossschule Ilvesheim und Regierungspräsidium Karlsruhe
Die Verbindung zwischen dem Regierungspräsidium (RP), dem Felder vorsteht, und der Ilvesheimer Schlossschule ist besonders eng. Das liegt daran, dass das RP die direkte Dienst- und Fachaufsicht über die Schule hat – eine Funktion, die sonst die Schulämter übernehmen. Felder wurde bei ihrem Besuch von mehreren verantwortlichen Personen begleitet, darunter Ulrike Wolf, Referatsleiterin im RP, sowie Axel Stöhr, Schulreferent und zuständig für die SBBZ im Schulamtsbereich Mannheim.
Letzterer ist immer wieder in Ilvesheim, führt mit der Schulleitung regelmäßig Gespräche über pädagogische Inhalte, aber auch Personalfragen. „Mich beeindruckt hier immer wieder, dass Schule ganzheitlich gedacht wird“, sagt er und führt auch ein Beispiel an. Aus selbst erwirtschafteten Mitteln haben die Schüler einen Snackautomaten angeschafft, der von ihnen selbst befüllt und betrieben wird.
Das zeige, dass die Schlossschule weit über den bloßen Unterricht hinausdenke, sagt Stöhr. In der Abteilung 7 des RP (Schule und Bildung) sind verschiedene Dezernate für die Schlossschule zuständig. Was für einen Außenstehenden verwirrend aussehen mag, folge aber einer klaren Ordnung und funktioniere vor allem im Alltag sehr gut, versichert Referatsleiterin Wolf.
Während des Besuchs von Felder bekommen die Gäste auch Einblick in den Unterricht. Eine Klasse verbessert gerade die letzte Matheklausur, je nach Grad der Sehbeeinträchtigung haben die Schüler unterschiedliche Hilfsmittel. Manche nutzen eine spezielle Kamera, mit deren Hilfe sie auf einem Bildschirm die Inhalte so darstellen können, wie sie es brauchen.
Spezielle Hilfsmittel für blinde Schüler in Ilvesheim
Blinde Schüler wiederum arbeiten mit einer speziellen Braille-Tastatur und Sprachausgabe über Kopfhörer. Als Felder einen der Kopfhörer aufsetzt, stellt sie fest: Die Sprachausgabe, also die Vertonung dessen, was auf dem Bildschirm steht, ist so schnell, dass sie ein ungeübtes Ohr kaum verstehen kann.
Ein Abstecher führt auch in eine Wohngruppe im Internat, wo die Schüler unter der Woche leben. Maximiliane Daub ist Jugend- und Heimerzieherin. Mit ihrer Gruppe konnte sie nach längerer Zeit wieder die angestammten Räume beziehen – mit neuer Küche und frisch renoviertem Bad. „Aktuell richten wir uns noch ein, zum Beispiel fehlt in der Küche noch die Braille-Beschriftung an den Schränken“, erklärt sie.
Die Schlossschule befindet sich seit 1868 in Ilvesheim. Seit ihrer Gründung vor 199 Jahren war sie immer in öffentlicher Hand, wie Liebers betont. Die Bildungseinrichtung ist neben den bereits genannten Bereichen auch anderweitig viel vertreten. Sie hat eine erfolgreiche Goalball-Mannschaft, ist Partnerschule des Olympiastützpunkts, beteiligt sich an vielen Aktivitäten in Ilvesheim und auch darüber hinaus.
So waren Schüler der Schlossschule an der Entstehung eines besonderen Murals (dt. Wandgemälde) in Mannheim beteiligt. Es beinhaltet Brailleschrift und ist so auch für Blinde lesbar. Es handelt sich dabei um das Projekt eines französischen Künstlers gemeinsam mit dem Institut français Mannheim, Stadt Wand Kunst und dem Zentralinstitut für seelische Gesundheit (ZI).
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