Mannheim/Heidelberg. „Weltsensation“, „revolutionäre Möglichkeit“. Die Nachricht über einen neuen Bluttest des Universitätsklinikums Heidelberg, der Brustkrebs erkennen soll, hat Ende Februar für Schlagzeilen gesorgt. Doch es gibt heftige Kritik an der Seriosität der Studie – und jede Menge Klärungsbedarf. Fragen und Antworten dazu.
Wie funktioniert der Bluttest überhaupt?
Bei dem Verfahren werden im Blut die Botenstoffe des Tumors identifiziert. Die Auswertung einer Blutprobe erfolgt im Labor in wenigen Stunden. Bei 500 untersuchten Brustkrebspatientinnen habe der Test in 75 Prozent der Fälle die Erkrankung korrekt angezeigt, so das Uniklinikum in einer Mitteilung. Die Entwickler: der Ärztliche Direktor der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg, Christof Sohn, und seine Mitarbeiterin Sarah Schott. Beide Mediziner sind selbst an zwei Gesellschaften beteiligt, die den Bluttest vermarkten sollen, wie jetzt durch die „Rhein-Neckar-Zeitung“ („RNZ“) bekannt geworden ist. Die beiden Firmen bestehen nach Angaben der Behörden schon seit 2017.
Was hat es mit einem chinesischen Partner auf sich?
Das Uniklinikum hat Ende Februar in einer Pressemitteilung nur von der Gesellschaft HeiScreen gesprochen. Es gibt aber noch eine zweite: HeiScreen NKY. Diese soll sich um die Region China kümmern – insbesondere beziehe sich der Begriff auf die Volksrepublik China, Hong Kong, Macao und Taiwan, wie in einem Auszug des Handelsregisters zu lesen ist. HeiScreen NKY arbeitet mit dem weltweit tätigen Unternehmen NKY Medical aus China zusammen. Auf dessen Internetseite ist eine Mitteilung vom November 2017 über den Besuch einer Heidelberger Delegation zu lesen. Auf Fotos: Sohn und Schott mit Vertretern des Konzerns. Sollte der Bluttest zuerst in China vermarktet werden? Wie eng ist die Zusammenarbeit mit NKY Medical? Das ist unklar. Eine Anfrage dieser Zeitung lässt HeiScreen bis gestern Abend unbeantwortet.
Was ist noch auffällig an der Firma HeiScreen?
Interessant ist ein Blick auf die Gesellschafter: Das Uniklinikum ist über eine Tochterfirma mehrheitlich (48,6 Prozent) an HeiScreen beteiligt. Dahinter folgt die Firma MammaScreen aus Hockenheim (39,2 Prozent) – sie gehört dem bekannten Unternehmer Jürgen B. Harder. Sarah Schott ist mit 7,3 Prozent an HeiScreen beteiligt, Sohn mit rund 4,9 Prozent. Nach Angaben der „RNZ“ sollen sich der Medizin-Professor und Harder lange kennen.
Welche Rolle spielen andere Forscher bei dem Bluttest?
Nach Schilderung der „RNZ“ sind die eigentlichen Erfinder ausgebootet worden. Demnach hatte im Jahr 2010 ein Team unter der Leitung der Molekularbiologin Rongxi Yang an dem Bluttest geforscht. Sie soll auf einem guten Weg gewesen sein, erhielt Preise und Stipendien. Bis Yang vor zwei Jahren ohne Angaben von Gründen ersetzt worden sein soll – durch Sarah Schott.
Warum gibt es immer heftigere Kritik an der Studie selbst?
Fachgesellschaften, Mediziner und Statistiker halten die Veröffentlichung für unseriös, weil unter anderem die Wirksamkeit des Tests nur unzureichend beschrieben wurde. Zudem sind Ergebnisse bislang nicht in einem Fachjournal publiziert. Außerdem hatten die Ärzte zunächst nicht angegeben, bei wie viel Prozent der Gesunden der Test fälschlicherweise anschlägt. Warum hat sich die Klinik so beeilt? Auch das Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg schaltet sich ein – und spricht von „Effekthascherei“. Vonseiten der Klinik heißt es, man bedauere, dass es zu Irritationen gekommen sei, und nehme die Kritik ernst. Eine unabhängige Kommission soll die Angelegenheit untersuchen.
Was sagt die Klinik zum chinesischen Partner NKY Medical oder zur Rolle von Molekularbiologin Rongxi Yang?
Die Klinik will abwarten, bis die Kommission zu Ergebnissen gekommen ist. „So lange bitten wir um Verständnis, dass wir uns nicht weiter äußern“, teilt eine Sprecherin mit. Wie lange das dauert, ist offen.
Wie verbreitet ist Brustkrebs in der Gesellschaft?
Brustkrebs ist laut Zentrum für Krebsregisterdaten des Robert Koch-Instituts mit rund 69 000 Neuerkrankungen jährlich die mit Abstand häufigste Krebserkrankung bei Frauen in Deutschland. Nach den aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamts starben 18 570 Frauen im Jahr 2016 an Brustkrebs.