Heidelberg/Eppelheim. Überführt ein vierbeiniger Ermittler den mutmaßlichen Paketbomber aus Eppelheim? Bei der Suche nach Beweisansätzen sind auch Suchhunde – so genannte Mantrailer – zum Einsatz gekommen. Das ist am fünften Prozesstag bekanntgeworden. Die Tiere bekamen eine Geruchsprobe aus den manipulierten Paketen und führten die Ermittler dann – vier Wochen, nachdem der Verdächtige festgenommen war – unter anderem direkt in die Gefängniszelle, wo der Verdächtige seit Februar in Untersuchungshaft saß.
Eine „Schnüffel-Tour“ startete am 21. März vor der Poststelle in Ulm, wo die beiden bei Wild in Eppelheim sowie Lidl in Neckarsulm explodierten sowie das in Bayern abgefangene Paket aufgegeben worden waren. Mehrere Stunden lang ließ eine bundesweit bekannte Suchhunde-Führerin ihren Vierbeiner laufen – die Tour führte direkt in den Ulmer Stadtteil Wiblingen, in dem der Verdächtige wohnte. Ein anderer Hund zeigte sogar das Reihenhaus, in dem der 66-Jährige fünf Wochen zuvor festgenommen worden war.
Doch ob diese Erkenntnisse auch geeignet sind, den mutmaßlichen Täter zu überführen? Zwei eigens dafür bestellte Gutachter sollen das bewerten und im weiteren Verlauf der Verhandlung erklären. Einer von ihnen ist Experte für die Verbreitung von Gerüchen, der andere ein erfahrener Polizeihundeausbilder. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 66 Jahre alten Rentner aus Ulm das Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, gefährliche Körperverletzung und versuchte schwere Körperverletzung vor. Ihm droht eine Freiheitsstrafe von bis zu 15 Jahren.
Seit einer Woche aus U-Haft
Am 16. Februar war ein Mitarbeiter der Wildwerke in Eppelheim beim Öffnen einer laut Staatsanwaltschaft von dem Mann aufgegebene Sendung verletzt worden, zwei Tage später verletzte ein weiteres Paket in Neckarsulm zwei Mitarbeiter von Lidl. Ein drittes Paket mit versteckter Sprengzündung, das an die Firma Hipp gerichtet war, wurde rechtzeitig abgefangen, bevor sie explodierte. Hintergrund sollen Erpressungsabsichten gewesen sein. Der mutmaßliche Briefbomber bestreitet die Vorwürfe. Der gelernte Elektriker muss sich seit 8. September vor dem Heidelberger Landgericht verantworten. Am Montag hatte das Landgericht überraschend erklärt, dass der Angeklagte die Untersuchungshaft verlassen darf, weil kein hinreichender Tatvorwurf mehr bestehe.
Für Verteidiger Steffen Lindberg war dieser Schritt längst überfällig: „Unser Mandant war sieben Monate grundlos in Untersuchungshaft.“ „Aus Sicht der Verteidigung waren die Gründe für den dringenden Tatverdacht nie vorhanden. Wir freuen uns deshalb über die Entscheidung des Landgerichts. Unser Ziel ist ein Freispruch“, so der Anwalt.
„Ich bin nicht die von Ihnen gesuchte Person“, versicherte der Angeklagte zum Prozessauftakt. Er schweigt seither. In seiner Wohnung fanden die Kripomitarbeiter unter anderem stapelweise zusammengefaltete Kartonagen in der Größe der verschickten Paketbomben, handelsübliches Klebeband, eine Pistole und Patronen sowie mehrere Päckchen Zündhölzer.
Als er festgenommen wurde, habe der Elektriker einen überraschten Eindruck gemacht. Bei dem SEK-Einsatz soll seine Frau, die Gegenwehr leistete, schwere Verletzungen unter anderem im Gesicht und an Gliedmaßen davongetragen haben. „Ich weiß auch nicht genau, was da passiert ist“, sagt ein als Zeuge geladener Ermittler, der danach in das Reihenhäuschen kam.
„Kalle“ zielstrebig unterwegs
Ganz sicher war sich hingegen offenbar Mantrailer „Kalle“: Der an der Autobahnausfahrt Schwetzingen mit Duftprobe aus dem Paket angesetzte Hund führte die Ermittler im März direkt ins Landgerichtsgebäude Heidelberg und sogar an den Platz, an dem der Angeklagte im Februar Haftprüfungstermin hatte.
In einem weiteren Anlauf spürten Kalle und sein „Kollege“ Emil den Rentner sogar in seiner Zelle der JVA Mannheim auf: Zielstrebig sei der Hund durch mehrere Gebäudetrakte dorthin gelaufen, berichtet der Sachbearbeiter vom LKA, der diese „Schnüffel-Tour“ begleitete. „Ich kann das auch nicht erklären, wie der Hund das macht“, fügt er hinzu, „aber ich arbeite mit den Ergebnissen“. So habe das Mantrailing unter anderem zu einem weggeworfenen Parkschein in der Nähe der Ulmer Postfiliale geführt.